Darum gehts
Die Jagd der Israelis auf die Hamas-Terroristen erreicht eine neue Stufe: Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) bläst nun zur Einnahme und Besetzung des ganzen Gazastreifens. Die Bewohner sollen vertrieben werden.
Ob Netanyahu sein Ziel, die Hamas zu zerstören, erreicht, ist ungewiss. Sicher ist aber: Für die leidgeplagte Zivilbevölkerung des Gazastreifens geht der Albtraum weiter. Und Trumps «Riviera-Plan» soll Realität werden.
Auslöser der Gazaoffensive ist der brutale Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023, als Terroristen 1182 Menschen töteten und rund 250 in den Gazastreifen verschleppten. Beim israelischen Gegenstoss und der Suche nach den Geiseln wurden bisher laut unabhängigen Quellen schon über 65’000 Menschen getötet, mehrheitlich Zivilisten. Ein Friedensplan ist gescheitert.
Bewohner sollen vertrieben werden
Nun hat Israel Zehntausende Reservisten aufgeboten. Mit der Verstärkung will Netanyahu den Gazastreifen ganz einnehmen und dauerhaft unter die eigene Kontrolle stellen. Der Plan sieht vor, die Bevölkerung vom Norden in den Süden zu treiben. Netanyahu unterstützt zudem den Plan von Trump zu einer «freiwilligen Emigration von Gaza-Einwohnern», heisst es in einer Mitteilung. Man sei bereits mit mehreren Ländern im Gespräch.
Trump hatte vor wenigen Monaten verkündet, dass er aus dem Gazastreifen eine Riviera mit Luxusresorts bauen und die Bewohner in arabische Länder wie Jordanien und Ägypten umsiedeln wolle.
Kommts zur «Entscheidungsschlacht»?
Für die Zivilbevölkerung haben diese Pläne schwerwiegende Folgen. Eckart Woertz, Direktor des Giga-Instituts für Nahost-Studien in Hamburg, spricht gegenüber Blick von «israelischer Hungerkriegsführung». «Das weitreichende Vertreibungsszenario, die andauernde Besatzung mit anhaltender Gewalt und die Unterbrechung von Hilfeleistungen wirken sich auf die Nahrungsmittelsicherheit und die medizinische Versorgung aus.»
Auch Reinhard Schulze, ehemaliger Leiter des Forum Islam und Naher Osten der Universität Bern, bezeichnet gegenüber Blick eine vollständige Eroberung als «eine Katastrophe». Falls die Hamas aufgrund des Drucks die Macht nicht selber abgebe, könnte es zu einer «Entscheidungsschlacht» mit vielen zivilen Opfern kommen.
Experte redet von «ethnischer Säuberung»
Schulze schliesst nicht aus, dass sich der Konflikt dann ausweiten würde. Bereits machen sich die Huthi-Rebellen aus dem Jemen in Israel mit Hyperschall-Angriffen bemerkbar. «Die unberechenbare Dynamik der Situation könnte sehr schnell dazu führen, dass Israel tatsächlich militärisch in einen Mehrfrontenkonflikt verwickelt wird», sagt Schulze.
Woertz sagt mit klaren Worten, was er von Netanyahus Plänen hält: «Wir sollten hier nicht von ‹freiwilliger Emigration› sprechen. Vielmehr handelt es sich bei den Plänen der israelischen Rechtsextremen in der Regierung um eine gewaltsame Vertreibung und ethnische Säuberung. Punkt.»