Darum gehts
Da staunt der Laie: In seiner ersten Amtszeit wollte Donald Trump (79) den Kurzvideo-Dienst Tiktok in den USA verbieten. Jetzt ist er plötzlich grosser Fan der chinesischen Plattform geworden. Auf Freitag hatte er ein Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping (72) angekündigt. Inhalt: der Deal zu Tiktok in den USA.
Und dieser Deal hat es in sich. Trump sichert sich damit den Einfluss auf 170 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, von denen über ein Viertel unter 24 Jahre alt sind. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen.
Am Freitag läuft erneut eine wichtige Frist ab: Trump hatte der chinesischen Tiktok-Betreiberin ByteDance Mitte Juni 90 Tage Aufschub gewährt, um einen Käufer in den USA zu finden. Ohne Deal hätte Trump Tiktok in den USA den Stecker gezogen.
Jetzt aber scheint die Zukunft von Tiktok in den Vereinigten Staaten gesichert zu sein. Denn mit einem Deal ist die Bahn frei für die Gründung einer Gesellschaft, die in den USA für die chinesische Plattform verantwortlich ist. 80 Prozent daran soll das Konsortium mit den Tech-Giganten Oracle, Silver Lake und Andreessen Horowitz halten. Es ist zu erwarten, dass die Nutzer in den USA eine eigene App bekommen.
Direkter Draht zur Tiktok-Spitze
Trump kann sich die Hände reiben. Einerseits kann er über einen Sitz der US-Regierung im Aufsichtsrat direkt Einfluss ausüben. Andererseits sitzen mit Oracle-Mitinhaber Larry Ellison (81) und Marc Andreessen (54) zwei enge Verbündete an der Schaltstelle der neuen US-Gesellschaft.
Die Chinesen werden auch beim US-Ableger weiterhin ihre Finger im Spiel haben. So bekommt ByteDance eine Minderheit. Zudem wird der zentrale Algorithmus, der die Bedürfnisse der Nutzer erkennt und Tiktok so erfolgreich macht, in China bleiben.
Wegen der Angst vor chinesischem Einfluss und vor Spionage wollte Trump die Plattform in seiner ersten Amtszeit in den USA verbieten, scheiterte aber an einem Gerichtsentscheid. Vor einem Jahr hat Trump nun sogar ein eigenes Konto eröffnet, das inzwischen über 15 Millionen Follower zählt. Warum plötzlich diese Kehrtwendung?
«Gigantisches Potenzial»
Reto Vogt, Studienleiter Digitale Medien & KI an der Schweizer Journalistenschule MAZ und freier Tech-Journalist, sagt gegenüber Blick: «Es ist für mich klar, dass sich Trump mit diesem Deal Einfluss bei den Jugendlichen verschaffen will. Das Potenzial zu Desinformation und Manipulation, wie wir es aus autoritären Staaten wie China und Russland kennen, ist gigantisch.»
Tatsächlich: Tiktok zählt in den USA rund 170 Millionen Nutzerinnen und Nutzer und ist damit die Nummer drei bei den Social Media – hinter Facebook und Instagram. Aber die Qualität liegt im jugendlichen Alter der Nutzer: 27 Prozent bei Tiktok sind unter 24 Jahre alt, 40 Prozent zwischen 25 und 34 Jahre.
Viele Junge bei Demokraten
Dass Trump die Jungen ins Visier nimmt, hat seinen guten Grund. Philipp Adorf, USA-Experte an der Universität Bonn, sagt gegenüber Blick: «Seit der Obama-Ära sind junge Wähler fest in Hand der Demokraten. Selbst kleine Zugewinne in dieser Altersgruppe können den Weg zu einer elektoralen Mehrheit deutlich erleichtern.» Zur Erinnerung: Am 3. November 2026 finden die Midterm-Wahlen statt.
Der einzige Wermutstropfen für Trump: der Algorithmus bleibt in China. «Damit fehlt ihm der direkte Hebel, ihm genehme Inhalte nach vorn zu spielen», sagt Adorf. Das unterscheidet die Situation deutlich von X, wo der Einfluss des Inhabers Elon Musk (54) auf die verbreiteten Inhalte spürbar ist.
Auswirkungen auf die Schweiz
Mit dem Tiktok-Deal macht Trump einen weiteren Schritt Richtung Medienbeeinflussung. Nicht genehme Medien wie das «Wall Street Journal» oder die «New York Times» werden mit Milliardenklagen eingedeckt. TV-Sendern droht er mit dem Entzug der Lizenz. Unter diesem Druck stoppte der TV-Sender ABC diese Woche die Talkshow mit dem bekannten Moderator Jimmy Kimmel (57) wegen dessen Äusserungen zum Attentat auf Charlie Kirk (†31).
Auch nach Trumps Griff nach Tiktok wird die Plattform für Schweizer Nutzerinnen und Nutzer wie bisher weiterlaufen. Allerdings könnte es Auswirkungen geben, wenn Schnittstellen zwischen der ursprünglichen Tiktok-App und der neuen App für die USA geschaffen werden. Reto Vogt: «Dann wird es spannend zu beobachten sein, wie und welche Inhalte aus den USA bei uns sichtbar werden – und umgekehrt.»