Silvia H.* (72) ist verzweifelt. «Betrüger haben mir alles weggenommen. Jetzt sogar mein Dach über dem Kopf», klagt sie. Noch bewohnt sie ein schönes Einzimmer-Appartement in einer prächtigen Liegenschaft direkt am Genfersee. Dieses muss sie – wenn nicht noch ein Wunder geschieht – nach der Zwangsversteigerung in den kommenden Wochen räumen.
Silvia H. wuchs im Aargau auf, absolvierte einst das KV, arbeitete dann als Reiseleiterin auf Kreuzfahrtschiffen und beherrscht mehrere Fremdsprachen. Durch ihre spätere Tätigkeit als Office Managerin hat sie genügend Geld verdient, um sich Mitte der 90er-Jahre in St. Gingolph VS einen Traum zu erfüllen: Sie kaufte sich ein 30 Quadratmeter grosses Appartement mitsamt Bootsplatz in einer ehemaligen Arztvilla.
Im Vergleich zu den heutigen Preisen machte sie ein Schnäppchen: Sie bezahlte damals 190'000 Franken. Dazu kamen 10'000 Franken für den Parkplatz und 25'000 Franken für den Bootsplatz im hauseigenen Hafen.
An der Traumlage am See wird sie fortan ihre Wochenenden und Ferien verbringen. Und unter der Woche im Aargau in ihrer Mietwohnung leben. Das Drama in drei Akten nimmt seinen Lauf.
Erster Akt: Der Kauf
H. sagt: «Die Gauner haben mir den Bootsplatz nicht ins Grundbuch eintragen lassen!» Als sie 1994 das Appartement kaufte, habe ihr der damalige Verkäufer und Verwalter der Stockwerkeigentümerschaft angeboten, den Kaufvertrag auf das Grundbuchamt mitzunehmen und den Vertrag dort eintragen lassen. «Da wurde ich übers Ohr gehauen», sagt Frau H. heute im Gespräch, während sie Blick sämtliche Verträge vorlegt.
Der Gauner, wie ihn H. nennt, hat ihren Bootsplatz nicht auf sie, sondern auf die Tochter seiner Frau eintragen lassen. Und das, obwohl der Bootsplatz schwarz auf weiss im Vertrag vermerkt war. Das rächt sich heute, 29 Jahre später. «Die Bootsplätze sind am Genfersee mittlerweile eine Rarität, die meisten können nur gemietet werden», sagt Silvia H.
Sie vermutet deshalb, dass sie bei der Zwangsversteigerung für ihre Wohnung mit Bootsplatz bis 250'000 Franken mehr als den damaligen Preis erhalten hätte. Sie sagt: «Am Genfersee gibt es eine 20 Jahre lange Warteliste für Bootsplätze.» Auch der heutige Verwalter der Stockwerkeigentümer habe sich gemäss Frau H. geweigert, den Bootsplatz korrekt eintragen zu lassen. Der Verwalter wollte gegenüber Blick keine Stellung nehmen.
Zweiter Akt: Die Nebenkosten
Nach ihrer Pensionierung hat die Alleinstehende ihren Wohnsitz ganz vom Aargau an den Genfersee verlegt. Schon bald bekam sie ein ungutes Gefühl mit der Liegenschaftsverwaltung, die ein von den Nachbarn eingesetzter Verwalter besorgte.
Der Verkäufer und Verwalter erhöhte die Unterhaltsbeträge in regelmässigem Abstand. Einst starteten sie mit 12'000 Franken, 2015 waren es 40'000 Franken, später sollte der Liegenschaftsunterhalt ganze 60'000 Franken pro Jahr kosten.
Da das auch den Anteil von H. massiv erhöhte, wurde sie stutzig. «Die Unterhaltsarbeiten wurden entweder nicht oder nur mangelhaft ausgeführt», so die Aargauerin. Es sei auch vorgekommen, dass Versicherungsleistungen nicht auf die Konten der Stockwerkeigentümerschaft ausbezahlt wurden. Überhaupt hatte sie trotz mehrmaligen Nachfragens keine Möglichkeit, die Abrechnungsdetails zu erhalten. Zudem soll es keine detaillierten Protokolle gegeben haben. Bemerkungen von H. wurden nie erfasst. Weil sie sich weigerte, die Unterhaltsbeiträge zu bezahlen, wurde sie von den Stockwerkeigentümern betrieben.
Das führte im Frühjahr 2020 zu einem Gerichtstermin, den sie aufgrund eines zweiwöchigen Spitalaufenthalts nicht wahrnehmen konnte. H. ist der Auffassung, dass in ihrer Abwesenheit gegen ihre Interessen entschieden wurde. Schliesslich führten die Betreibungen dazu, dass die Einzimmerwohnung im August 2023 zwangsversteigert werden musste. Das Betreibungsamt in Monthey VS will sich zum Fall nicht äussern, bestätigt aber, dass der Verkauf stattgefunden hat.
Dritter Akt: Die Zwangsversteigerung
H. ist überzeugt, dass der Verkauf manipuliert wurde: «Die Nebenkosten von 10'000 Franken pro Jahr in der Verkaufsdokumentation sind ein ‹Killer› gewesen.» Der Verwalter habe dem Schätzer falsche Informationen gegeben. Darum habe die Verkaufsdokumentation nur so von Fehlern gestrotzt. Die Rentnerin: «Die absolute Einmaligkeit des Objekts wurde in der Verkaufsdokumentation null berücksichtigt.»
Darum vermutet H., dass das Interesse am Objekt sehr gering war, nur zwei Personen mitgeboten haben und der Preis deshalb so tief war. Am Schluss ging das Objekt für 203'000 Franken an eine neue Besitzerin über. Die traurige Pointe: Ihr Appartement gehört nun der Erbin des damaligen Verkäufers – der sie, wie sie sagt, beim Kauf vor 29 Jahren betrogen habe.
Frau H. musste sich wegen des tiefen Verkaufserlöses beim Sozialdienst melden. Sie ist gesundheitlich angeschlagen und weiss noch nicht, wo sie künftig wohnen wird. Noch will sie so lange wie möglich in ihrem Genfersee-Appartement ausharren und sich gegen den Rauswurf wehren. Scherzhaft sagt die Single-Frau: «Wenn ein Mann etwas Vergleichbares hat, soll er sich bei mir melden!»
Dann wird sie wieder emotional, beginnt zu weinen: «Ich kann mir nicht vorstellen, von hier wegzugehen». Wichtig ist ihr, ihre Message an die Blick-Leserinnen und -Leser loswerden zu können: «Liebe Eigentümerinnen und Eigentümer, prüft, ob alles korrekt im Grundbuch eingetragen ist.»
* Name der Redaktion bekannt