Wer darüber bestimmt, welche Wörter in einer Gesellschaft erlaubt sind und welche nicht, hat Macht über die Realität. Der englische Schriftsteller George Orwell (1903–1950) schuf in seinem Roman «1984» eine Diktatur, die das Kriegsministerium als Friedensministerium bezeichnet und Begriffe wie «Gerechtigkeit», «Moral» oder «Demokratie» verbietet.
Auch die gleiche Strategie setzt auch Kreml-Chef Wladimir Putin (69). Er verbietet den Menschen in Russland, seine Invasion in der Ukraine als Krieg zu bezeichnen.
Weil von Worten derart viel Macht ausgeht, überraschte zuletzt ein Entscheid von Magdalena Martullo-Blocher (52), die in ihrer Firma Ems-Chemie ebenfalls die Nutzung des Worts «Ukraine-Krieg» untersagt hat. Die SVP-Nationalrätin erklärte am Montagabend im «Eco Talk» auf SRF, was es damit auf sich hat.
«Mitarbeiter, die das Wort brauchen, müssen 15 Jahre nach Sibirien ins Gefängnis», sagt Martullo-Blocher und verweist auf entsprechende Spezialregelungen bei Banken oder Journalisten, die in Russland ebenfalls nicht von Krieg sprechen dürfen.
Wortverbot gilt in 16 Ländern
Die Ems-Chemie geht jedoch einen Schritt weiter. Martullo-Blocher hat den Begriff nicht etwa nur für die 60 Angestellten in Russland verboten, sondern für alle 2640 Mitarbeiter, die der Konzern in 16 Ländern beschäftigt. «Das Geschäft ist heute derart international, da reicht schon eine E-Mail mit dem Wort, um die Mitarbeiter in Russland vor Probleme zu stellen», erklärt sich die Firmeninhaberin in der Talksendung. Die Regelung gelte zudem nur für den Betrieb. Privat könne man sich weiterhin frei äussern.
Martullo-Blocher sagt im «Eco Talk» auch, warum die Ems-Chemie weiterhin in Russland tätig bleiben will. Während sich zahlreiche internationale Konzerne aus Russland zurückgezogen haben, ist das für die Ems-Chemie keine Option. «Ich will meine Firma sicher nicht dem russischen Staat überlassen», sagt die Firmeninhaberin. Unternehmen, die ihre Fabriken und Geschäfte in Russland schliessen, droht Wladimir Putin offen mit einer Enteignung.
Martullo-Blocher verweist zudem auf die Situation der Menschen in Russland: «Die einfache Bevölkerung hat überhaupt keinen Einfluss oder Mitspracherecht in dem Krieg und ist dort überhaupt nicht beteiligt.» Das System sei auf Kreml-Chef Putin und einen kleinen Kreis ausgerichtet. Das könne man mit der Demokratie bei uns überhaupt nicht vergleichen. «Es ist klar, dass wir in so einem Land ohne Kurzarbeit- und Arbeitslosengelder nicht noch Arbeitslose machen wollen.» (smt)