Wirtschaftspsychologe erklärt, warum Leute wie Vasella bei Steuern tricksen
«Narzisstisch, machiavellistisch und psychopathisch»

Wirtschaftspsychologe Christian Fichter weiss, warum Menschen wie Daniel Vasella sich zu schade sind, Steuern zu zahlen. Er weiss auch, warum es solche Menschen immer wieder nach oben spült.
Publiziert: 30.01.2023 um 18:45 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2023 um 18:47 Uhr
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Der ehemalige Novartis-Chef Daniel Vasella zog 2013 nach Monaco. Dadurch konnte er hohe Steuerzahlungen sparen. Doch die Steuerbehörden weisen nach, dass er gar nicht effektiv dort lebte. Und bitten ihn nun zur Kasse.
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Silvia TschuiGesellschafts-Redaktorin

Christian Fichter (51) ist Professor für Sozial- und Wirtschaftspsychologie und Forschungsleiter der Kalaidos Fachhochschule. Er befasst sich mit den psychologischen Grundlagen wirtschaftlichen und sozialen Verhaltens und berät Unternehmen und Organisationen.

Mit einem Vermögen von mindestens 400 Millionen Franken kann Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella seine Steuern locker bezahlen. Warum kommt er überhaupt auf die Idee, bei den Steuern zu tricksen?
Fichter: Man muss umgekehrt anfangen. Aus der Forschung weiss man: Um überhaupt in eine solche Führungsposition zu kommen, haben manche sehr erfolgreichen Menschen eine Persönlichkeitsstruktur, die wir «dunkle Triade» nennen. Solche Personen sind narzisstisch, machiavellistisch und psychopathisch. Und in den Führungsetagen überdurchschnittlich vertreten.

Was bedeuten diese Begriffe?
Narzissmus bedeutet, dass man sich für etwas Besseres hält und von anderen bewundert werden möchte. Ein Machiavellist verfolgt kalt und rücksichtslos seine Ziele und stellt den Zweck über die Mittel, wenn es ihm nützt. Ein Psychopath tut dies auch, hat aber auch überhaupt keine Angst vor Konsequenzen und empfindet kein Mitgefühl mit anderen.

Können Sie genauere Zahlen zur Verteilung nennen?
Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber in der Bevölkerung gibt es ca. ein Prozent Narzissten und Psychopathen. In den Führungsetagen sind es doppelt so viele. Es sind also weniger, als von reisserischen Autoren behauptet wird. Die zwei Prozent reichen aber, um grossen Schaden anzurichten. Leider wird zu wenig dagegen getan.

Weshalb?
Weil es unglaublich schwierig ist, die Personalabteilungen davon zu überzeugen, ihre Kandidaten für Top-Positionen auf die dunkle Triade hin zu testen. Dabei ist die Führungskultur einer solchen Person toxisch, was sich längerfristig auf den Erfolg eines Unternehmens schlägt. Aber es gibt auch einen Grund, weshalb Menschen mit solchen Persönlichkeiten überhaupt erst in solche Führungspositionen kommen.

Welchen?
Ihre Persönlichkeit ist eigentlich fragil, solche Menschen müssen sich ständig beweisen, dass sie besser als andere sind. Salopp gesagt liegt eine Art Minderwertigkeitskomplex mit gleichzeitigem Grössenwahn zugrunde. Und wer sich ständig selbst beweisen muss, dass er besser ist als alle anderen, weil er sich sonst komplett elend fühlt, gibt ständig überdurchschnittlichen und eigentlich fast übermenschlichen Einsatz.

Viele Superreiche sind auch freigebige Spender. Auch Vasella hat gespendet, etwa für die Stiftung Aldava für benachteiligte Kinder. Wie geht das mit Steuertrickserei zusammen?
Das geht sehr gut zusammen: Auch beim Spenden geht es bei solchen Persönlichkeiten um öffentlichen Ruhm. Ein kleines Beispiel: Wer ein Aussichtsbänkli auf einem Wanderweg finanziert, schreibt seinen Namen drauf. Man hat also etwas davon – im Falle von Menschen wie Daniel Vasella einfach auf einem sichtbareren Niveau. Steuern zahlt man aber nicht öffentlich, es gibt keinen Ruhm, wenn man sie wie alle anderen bezahlt.

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