Steuerflucht aus Risch ZG
Verräterische Indizien entlarvten Vasella

Ex-Novartis-Chef und Multimillionär Daniel Vasella wollte 2013 im Kanton Zug keine Steuern zahlen – weil er angeblich in Monaco wohne. In Detektivarbeit wiesen ihm die Steuerfahnderinnen allerdings nach, dass das geschwindelt war.
Publiziert: 29.01.2023 um 17:29 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2023 um 17:30 Uhr
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Daniel Vasella unterlag mit seinem Rekurs vor dem Zuger Verwaltungsgericht.
Foto: Philippe Rossier
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Roman NeumannBlattmacher Digital

Es ist dicke Post, die der schwerreiche Ex-Novartis-Präsident Daniel Vasella (69) und seine Frau von der Steuerverwaltung des Kantons Zug am 12. April 2017 erhalten: Sie schicken ihnen die Steuerveranlagung für das Jahr 2013. Dass das Ehepaar seinen Wohnsitz von Risch ZG nach Monaco verlegt haben soll, glaubte die Steuerverwaltung nicht.

Gegen die Veranlagung wehrten sich die Vasellas – und unterliegen vor dem Zuger Verwaltungsgericht, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Das Urteil liegt Blick vor. Und darin wird ersichtlich, wie akribisch die Steuerfahnder jegliche vorgelegten Beweise zerpflückten.

Vor allem der Wasser- und Stromverbrauch und die Telefonrechnungen waren verräterisch. Und die Weigerung der Vasellas, die Standortdaten ihrer Handys preiszugeben, machte das Gericht ebenfalls stutzig.

Doch woran scheiterte Vasella sonst noch? Das Beweismaterial war durchaus umfangreich: Er legte eine Excel-Liste mit Flugreisedaten, Kreditkartenabrechnungen, Strom- und Wasserrechnungen, Telefonrechnungen von monegassischen Festnetz- und Mobiltelefonen sowie Lohnausweise von Haushaltshilfen in Monaco und Risch ZG vor. Die Steuerverwaltung war damit aber nicht zufrieden: Sie forderte weitere Unterlagen. Vasella musste Flugtickets, eine kalendarische Aufstellung der Anwesenheitstage pro Land und weitere Abrechnungen einreichen.

Mit all diesen Informationen führte das Gericht einen Indizienprozess durch. Einige Angaben blieben unklar, andere sprachen klar gegen Vasella.

Persönliche Beziehungen

Vasellas führen aus, dass sie «in Monaco wenig soziale Kontakte» gehabt hätten. Und sie hätten die Öffentlichkeit bewusst gemieden, um nicht erkannt zu werden. Das Gericht schreibt dazu: «Es ist offensichtlich, dass dieses Kriterium bereits aufgrund dieser Aussage gegen eine Wohnsitzverlegung nach Monaco spricht. Im vorliegenden Fall ist es aufgrund der regen Reisetätigkeit (...) durchaus angebracht, an diesem Beweggrund Zweifel zu hegen.» Unter anderem, weil Vasella und seine Ehefrau bei sämtlichen Flügen mit internationalen Destinationen Zürich als Start- und Zielflughafen wählten – «also denjenigen Flughafen, wo sie wohl am ehesten erkannt werden würden».

Ausserdem besitze Vasella weitere Immobilien an drei verschiedenen Orten auf der Welt. «Auch dort hätten sie sich vermutlich ohne weiteres eine Weile aufhalten können, um zurückgezogen und ohne soziale Kontakte leben zu können.» Dass sie dafür eine 268 Quadratmeter grosse Fünfzimmer-Duplexwohnung in Monaco im 11. und 12. Stock eines Wohnblocks nutzen – obwohl sie andere grosszügigere Immobilien besässen – spreche nicht für eine Wohnsitzbegründung. Auch seien ihre wichtigsten Bezugspersonen, die erwachsenen Kinder, in der Schweiz geblieben. Das spreche ebenfalls gegen einen festen Wohnsitz in Monaco.

Wohnsituation

Daniel Vasella besitzt laut dem Urteil in Risch ZG eine Villa mit geschätzten 1400 Quadratmetern, einem Schwimmbad, dazu Umschwung am See. Ein herrliches Anwesen. Vasellas kauften auch noch das Grundstück daneben. Zudem blieb die Haushaltshilfe fest angestellt, wie aus den Lohnabrechnungen hervorgeht.

Die gemietete Wohnung in Monaco wäre für andere ein Traum – im Vergleich zur Villa in Risch wirkt sie fast mickrig, trotz Pool im Aussenbereich. Oder wie es das Gericht ausdrückt: «Die Wohnung in Monaco konnte den gewohnten Lebenskomfort der Rekurrenten (...) nicht annähernd bieten, was nicht für eine Wohnsitznahme in Monaco spricht.»

2013 zügelten Vasellas zwar Möbel, Sofas, Lampen, Bücher und Kleider nach Monaco – den grössten Posten machten aber vor allem Kunstgegenstände aus. 62 Werke wurden von der Schweiz nach Monaco gebracht. Den Grossteil der Kunst, den der Ex-Novartischef besitzt, liess er aber weiterhin in der Schweiz. Alles in allem hält das Gericht fest, dass Ausstattung und Transport kein klares Resultat über den Wohnsitz ergeben.

Dass Vasellas aber weder Krankenkasse in der Schweiz abmeldeten, noch einen Postnachsendeauftrag einrichteten, sei für das Gericht «schwer nachvollziehbar».

Aufenthaltstage

131 Tage sei er in Monaco und 57 Tage in Risch ZG gewesen. Das gab Daniel Vasella bei seinem Rekurs gegen den Entscheid der Zuger Steuerbehörde an. Seine Ehefrau habe 193 Tage in Monaco und 46 Tage in Risch verbracht. Allerdings verhedderte sich Vasella da in Widersprüche: Bei acht im Kalender ausgewiesenen Aufenthaltsperioden in Monaco stellten die Steuerfahnder fest, dass dessen Kreditkartenabrechnungen gleichzeitig Zahlungen in der Schweiz, Deutschland, Österreich und in den USA auswiesen.

Zum Beispiel zeigt ein Flugticket, dass sich Vasella am 3. November 2014 auf einem Flug von Shanghai nach Zürich befand – laut seiner Auflistung aber wäre er eigentlich in Monaco gewesen. Die Fahnder fanden gleich mehrere solcher Beispiele. Und das Gericht hält dazu fest: «Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Rekurrenten zufällig bei insgesamt 33 im Kalender aufgeführten Monaco-Aufenthalten in Bezug auf den tatsächlichen Aufenthaltsort geirrt haben könnten (...) darf als sehr gering betrachtet werden.» Fazit: Dem Kalender sei aufgrund der vielen Ungereimtheiten nicht zu trauen.

Die Alarmanlage

Es sind grosse und kleine Indizien, die das Gericht bewertet. Die Handyrechnungen, die allesamt gegen einen dauerhaften Wohnsitz in Monaco sprechen, sind das eine. Das Gericht hält es zum Beispiel für «bemerkenswert», dass im Vertrag zwischen der Sicherheitsfirma und Vasella drei Telefonnummern angegeben sind, die im Fall eines Einbruchs – und bei Abgang der Alarmanlage – angerufen werden sollen: An erster Stelle steht dabei die Schweizer Handynummer von Vasella, an zweiter die Nummer des Fixnetzanschlusses in Risch und erst an dritter Stelle seine Handynummer in Monaco.

Weitere Indizien

Warum flog das Ehepaar Vasella immer über Zürich, um nach Monaco zu gelangen? Nizza, drittgrösster Flughafen Frankreichs, läge bedeutend näher. Es mache zeitlich keinen grossen Unterschied, ob man diese Strecke fliege oder fahre, gab der Multimillionär an. Diese abenteuerliche Argumentation wurde vom Gericht auseinandergenommen.

Die Fahrt von Monaco zum Flughafen Nizza dauere mit einem Fahrzeug gemäss Google Maps rund 35 Minuten. Der Flug von dort nach Zürich benötige gemäss der Airline Swiss 75 Minuten. Rechne man eine Stunde Aufenthalt vor Abflug im Flughafen Nizza dazu, beträgt die gesamte Reisedauer knapp drei Stunden. Die Autofahrt von Monaco zum Flughafen Zürich beträgt nach Angaben der Rekurrenten zwischen 7 und 8 Stunden.

All diese Indizien wurden Vasella vor dem Verwaltungsgericht zum Verhängnis – und kosteten ihn nebst dem nachzuzahlenden Steuerbetrag auch noch 25'000 Franken für den «ausserordentlich hohen Zeit- und Arbeitsaufwand».

Der Aufwand für das Zuger Steueramt dürfte sich gelohnt haben, Daniel Vasellas Vermögen wird von der «Bilanz» auf 375 Millionen Franken geschätzt. Oder wie das Gericht festhält: Der umstrittene Steuerbetrag sei «äusserst» hoch.

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