Seit einem Jahr ächzt die Schweizer Wirtschaft unter den Corona-Massnahmen – ein Ende ist nicht absehbar: Am Freitag erteilte der Bundesrat Turbo-Öffnungen eine Absage. Doch der Druck bleibt hoch.
In einem offenen Brief fordern die wichtigsten Wirtschaftsverbände und namhafte bürgerliche Parlamentarier, die Landesregierung müsse «dringende Umsetzungsarbeiten» in die Hand nehmen, um «das Ende der staatlichen Eingriffe» ins gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zu erreichen.
Vier Forderungen an den Bundesrat
Das Schreiben erreichte den Bundesrat gestern Samstag. Es liegt SonntagsBlick exklusiv vor. Unterzeichnet ist es unter anderen von Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl, Hans-Ulrich Bigler, dem Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, und Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse.
So geeint hat man die Schweizer Wirtschaftsverbände schon lange nicht mehr gesehen. Gemeinsam erheben sie vier konkrete Forderungen an Bundesrat und Bundesverwaltung:
Impfen: Es müsse «alles» unternommen werden, damit bis Ende Juli jeder Impfwillige geimpft sei.
Testen: Bis Ende März habe ein Umsetzungskonzept zu Gratistests vorzuliegen – inklusive Organisation der Auslieferung.
Versorgung: Bis Ende September brauche es ein Konzept für mehr Versorgungssicherheit mit wichtigem medizinischem Material und Arzneimitteln.
Covid-free-Nachweis: Anfang Juni solle ein digitaler, fälschungssicherer Corona-Pass zur Verfügung stehen.
Vor allem die letzte Forderung hat es in sich: Wofür soll so ein Corona-Pass genutzt werden? Werden damit Impfskeptiker diskriminiert?
Nein, sagt Andreas Faller (54), Geschäftsführer des Bündnisses Freiheitliches Gesundheitswesen und Ex-Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit. Der Mitinitiator des offenen Briefs erklärt: «Der Covid-free-Nachweis soll nicht nur Geimpften Vorteile bringen. Auch Personen, die von Covid-19 genesen sind oder kürzlich negativ getestet wurden, sollen vom digitalen Pass beziehungsweise der App profitieren können.»
Niemand wird ausgegrenzt
Veranstalter sollen dank der App eine einfache Möglichkeit erhalten, garantiert coronafreie Events durchzuführen. «Sie müssten einzig am Eingang kontrollieren, dass alle Besucher coronafrei sind», so Faller. Besonders geeignet sei diese Lösung für Grossveranstaltungen wie Konzerte, Open Airs und Fussballspiele, aber auch für Reisen.
Mit dieser Lösung werde niemand ausgegrenzt: «Wer sich nicht impfen lassen will, müsste einige Stunden vor der Veranstaltung einen Test machen, zum Beispiel in einer Apotheke.» Falle er negativ aus, leite die Apothekerin das Ergebnis an die App weiter – und man könne damit ins Stadion.
Das Parlament hat diese Woche die Grundlage für eine solche Lösung geschaffen. Nun sei der Bundesrat gefordert, sagt Andreas Faller. «Er muss unverzüglich ein einheitliches schweizweites System zur Eingabe der Testresultate, der durchgeführten Impfungen sowie der Genesenen bereitstellen, aus dem die Daten für die Covid-free-App bezogen werden können.»
Die Europäische Union stellte am Mittwoch eine «Greencard» vor, die im Juni einsatzbereit sein soll. Es ist ein sehr ähnliches Projekt, an dem sich auch die Schweiz beteiligen könnte. «Das wäre der Best Case für uns», meint Gesundheitsexperte Faller. Denn damit wäre auch die Reisefreiheit innerhalb Europas gesichert.