Wirtschaft der WM-Finalisten
In diesem Vergleich ist Argentinien gegen Frankreich chancenlos

Frankreich gegen Argentinien: Die beiden Nationen kämpfen im Final am Sonntag um den WM-Pokal. Es wird ein Duell auf Augenhöhe erwartet. Im wirtschaftlichen Vergleich hingegen könnte der Unterschied zwischen den Finalisten kaum grösser sein.
Publiziert: 17.12.2022 um 22:57 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2022 um 08:05 Uhr
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Die Vorfreude ist gross: Am Sonntag stehen sich Frankreich ...
Foto: Corbis via Getty Images
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

In Argentinien herrscht derzeit der Ausnahmezustand: Das Nationalteam versetzt die Bevölkerung in der Heimat in Ekstase. Für einmal. Für die Menschen in Argentinien ist die WM eine Flucht aus ihrem Alltag, in dem viele so gar nichts zu jubeln haben. Das Land steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Schon wieder möchte man sagen. Viele Einwohner kennen nichts anderes.

Seit dem letzten Staatsbankrott im Dezember 2001 schlittert das Land von einer Krise in die nächste. Zuletzt musste der Internationale Währungsfonds (IWF) Argentinien im zurückliegenden Frühjahr unter die Arme greifen, damit ein erneuter Bankrott abgewendet werden konnte.

Finalisten im Vergleich

Einwohnerzahlen

Frankreich: 67,5 Millionen

Argentinien: 45,81 Millionen


BIP

FRA: 2737 Milliarden Franken (2021)

ARG: 458 Milliarden Franken (2021)


BIP pro Kopf

FRA: 40'551 Franken

ARG: 9998 Franken


Arbeitslosigkeit

FRA: 7,5 Prozent (Prognose 2022)

ARG: 6,9 Prozent (Prognose 2022)


Lebenserwartung

FRA: 82,18 Jahre

ARG: 76,81 Jahre

Einwohnerzahlen

Frankreich: 67,5 Millionen

Argentinien: 45,81 Millionen


BIP

FRA: 2737 Milliarden Franken (2021)

ARG: 458 Milliarden Franken (2021)


BIP pro Kopf

FRA: 40'551 Franken

ARG: 9998 Franken


Arbeitslosigkeit

FRA: 7,5 Prozent (Prognose 2022)

ARG: 6,9 Prozent (Prognose 2022)


Lebenserwartung

FRA: 82,18 Jahre

ARG: 76,81 Jahre

Im Gegensatz zu den argentinischen Fussballern, die sich mit viel Leidenschaft in den WM-Final gedribbelt haben, findet die Regierung einfach keine Lösungen aus der Misere. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Die Inflationsrate liegt derzeit bei rund 90 Prozent und dürfte bis Ende Jahr dreistellig werden. In Restaurants werden die Preise auf den Menu-Karten regelmässig überklebt – ansonsten müssten sie die Karten im Monatsrhythmus austauschen.

Warum so viele Argentinier in Katar sind

Sparen ist für die Mittelschicht kaum möglich. Wer kann, tauscht seine argentinischen Pesos in Dollar. Doch der Staat erschwert den Währungstausch, damit die Inflation nicht noch mehr aus dem Ruder läuft. Das abstruse Ergebnis: Die Mittelschicht gibt ihre Pesos so rasch wie möglich aus. Isst oft in Restaurants, kauft Elektronikgeräte, ein Auto oder reist an die WM. Das erklärt, warum so viele Argentinier ihr Team vor Ort in Katar anfeuern. Doch dieses Konsumverhalten treibt die Teuerung weiter an.

Dabei war Argentinien noch Mitte des letzten Jahrhunderts eine reiche Nation. Doch die Regierung hat zur Finanzierung der Staatsschulden zu oft die Druckerpresse in der Zentralbank angeworfen und frische Pesos gedruckt. Hinzu kommt ein gewaltiger Schuldenberg im Ausland. In einigen Provinzen arbeiten zudem viel zu viele Menschen in der Verwaltung – auf Kosten des Staats. Das führt zu einer verhältnismässig tiefen Arbeitslosigkeit von 6,9 Prozent. Aber auch dazu, dass Argentinien heute wirtschaftlich nur noch ein Schwellenland ist.

Nur im Fussball auf Augenhöhe

Der Fussball ist wohl die einzige Sache, bei der die Argentinierinnen und Argentinier noch stolz auf ihr Land sind. Hier ist man plötzlich wieder mit Ländern wie Frankreich auf Augenhöhe.

Im wirtschaftlichen Kräftemessen sind die Argentinier jedoch chancenlos. Frankreich ist die sechstgrösste Volkswirtschaft der Welt. Das französische Bruttoinlandprodukt ist mit über 40’000 Franken pro Kopf mehr als viermal so gross wie das argentinische. Die Grande Nation konnte im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent verzeichnen und auch in diesem Jahr sollen trotz des schwierigen geopolitischen knapp 2,5 Prozent erreicht werden. Die Beschäftigung wächst.

Frankreich verfügt neben der schwächelnden Automobilbranche über eine starke Pharmaindustrie und ist weltweit einer der wichtigsten Hersteller von Luxusgütern.

Die französische Bevölkerung zählt punkto Medianvermögen zu den 10 reichsten Ländern der Welt. Und während in Argentinien eine riesige Kluft zwischen Armen und Reichen herrscht, ist die Ungleichheit in Frankreich verhältnismässig moderat. Das liegt unter anderem am ausgebauten französischen Sozialstaat. Doch der kostet. Die Steuerquote ist mit 46 Prozent eine der höchsten der Welt. Die Bevölkerung ruft gleichzeitig nach tieferen Steuern, aber auch nach mehr Unterstützung sowie höheren Renten und Mindestlöhnen.

Frankreich im Reformdilemma

Die öffentlichen Ausgaben belaufen sich auf beinahe 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Frankreich verschuldet sich laufend neu. In diesem Jahr erreichte die Verschuldung mit 115 Prozent einen neuen Rekordstand.

Präsident Emmanuel Macron (44) steht unter Spardruck. Und er möchte die französische Wirtschaft mit Reformen wettbewerbsfähiger machen. Beispielsweise, in dem er den hohen Kündigungsschutz für Arbeitskräfte und die Rente mit 62 anpasst. Geht es nach Macron, sollen die Franzosen künftig bis 65 arbeiten.

Doch die Gewerkschaften im Land sind mächtig. Und der Unmut in der Bevölkerung gross. Als Macron 2019 eine zusätzliche Treibstoffabgabe einführen wollte, gingen die Menschen scharenweise auf die Strasse. Die «Gelbwesten»-Bewegung war geboren.

Auch in Argentinien gehen die Menschen regelmässig zum Protest auf die Strasse – jedoch ohne Erfolg. Umso mehr wünschen sich die Menschen im Land, wieder einmal einer grossen europäischen Nation Paroli zu bieten und den dritten WM-Titel nach Hause holen zu können. Auch für Frankreich wäre ein Sieg im Finale vom Sonntag der dritte Triumph. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten.

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