Vom Familienbetrieb zum Weltkonzern: Das ist die Geschichte von Red Bull und Dietrich Mateschitz, der im Alter von 78 Jahren verstorben ist. Das teilte das Unternehmen kurz vor Mitternacht mit. Ganz wichtig im Imperium des Energydrinks: Das Rheintal und die Schweiz. Denn Red Bull ist im Grunde kein Getränkehersteller, sondern ein grosser Marketingkonzern, der den Wachmacher in der blau-rot-silbernen Dosen zu einem globalen Verkaufsschlager gemacht hat – zum nach eigenen Angaben meistverkauften Energydrink der Welt.
Das Herz des Konzerns schlägt im österreichischen Salzkammergut, abgefüllt wird das prickelnde, koffein- und taurinhaltige Getränk aber im St. Galler Rheintal und in Vorarlberg. Der österreichische Getränkekonzern Rauch betreibt hier zwei riesige Abfüllanlagen. Von den rund 10 Milliarden Dosen Red Bull, die 2021 weltweit verkauft wurden, kommt rund ein Drittel aus dem Werk in Widnau SG. Der Schweizer Standort wurde gewählt, um vor allem den Export in die USA aus einem Nicht-EU-Land zu betreiben. Bald sollen neue Anlagen in den USA selbst den Getränkeausstoss weiter erhöhen.
Zucker und Wasser aus der Schweiz
Red Bull ist in der Schweiz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Für über eine Milliarde Franken exportiert unser Land Softdrinks in die ganze Welt, überwiegend den Wachmacher in der Dose. Das ist wertmässig mehr als der Export von Schweizer Verkaufsschlagern wie Schokolade oder Käse. Auch die Bauern profitieren: So landet etwa ein Viertel der Schweizer Zuckerproduktion beim Giganten mit dem roten Stier. Der Wasserverbrauch ist gigantisch, immer wieder sind im St. Galler Rheintal Klagen über die Wassermengen zu hören, die ins Werk nach Widnau fliessen.
Der Aufstieg von Dietrich Mateschitz zum reichsten Österreicher mit einem Vermögen von fast 27 Milliarden Franken beginnt ganz bescheiden 1982 – in Thailand. Damals reiste der Marketingmanager des Zahnpasta-Herstellers Blendax beruflich nach Thailand. Die langen Arbeitstage soll Mateschitz auch dank eines thailändischen Wachmachers überstanden haben. Der Name des Getränks: «Krating Daeng» – zu Deutsch: roter Stier!
Bescheidene Anfänge
Der Österreicher gründete mit dem thailändischen Produzenten Chaleo Yoovidhaya zwei Jahre später die Red Bull Gmbh. Das erklärt, wieso die thailändische Familie noch immer 51 Prozent am Getränkegiganten besitzt. Es dauerte noch drei Jahre, bis am 1. April 1987 die erste Dose Red Bull ausgeliefert wurde. Dazwischen lagen drei Jahre des Tüftelns an Rezeptur und Verpackung sowie der Entwicklung des genialen Marketing-Slogans «Red Bull verleiht Flügel».
Auch wenn mit Red Bull niemand abhebt – der Siegeszug der kultigen Dose war nicht mehr zu bremsen. Die Jugend fuhr voll auf den Energydrink ab, konsumierte ihn ohne Ende in Klubs, Kneipen oder auf dem Schulhof. Vor Red Bull kam niemand auf die Idee, Energydrinks zu verkaufen, seither kann kein Grossverteiler, Discounter oder Getränkehersteller darauf verzichten, eigene Muntermacher im Sortiment zu haben.
Vom Extrem- zum Spitzensport
Bei der Jugend verfing die Kombination aus Energiezufuhr und Extremsport, mit der Red Bull anfänglich sein Getränk vermarktete. Waghalsige Athleten durchklettern die steilsten Wände, flogen riskante Manöver mit dem Flugzeug oder stürzten sich von den höchsten Klippen. 2012 landete Red Bull in der Stratosphäre, sponserte den Österreicher Felix Baumgartner (53), der einen Fallschirmsprung aus 39'000 Meter Höhe riskiert, mit über 1300 km/h der Erde entgegen rast. Ein Millionenpublikum rund um den Globus verfolgte den Event am TV oder im Internet.
Heute fliesst ein Drittel des Konzernumsatzes ins Marketingbudget. Mittlerweile hat Firmengründer Mateschitz um den Konzern herum ein Sport-, Medien-, Immobilien- und Gastronomie-Imperium aufgebaut. Es gibt eigene Formel-1-Teams, Fussball- und Eishockeymannschaften sowie mit Servus TV sogar einen eigenen Fernsehsender. Auch Schweizer Sportgrössen wie der Skicrack Marco Odermatt (24) oder der Schwinger Remo Käser (25) stehen bei Red Bull unter Vertrag.
Gegen Flüchtlinge, für Donald Trump
Mateschitz und sein Imperium haben aber auch harsche Kritiker: Über Servus TV verbreitete Mateschitz wiederholt rechtspopulistische Ansichten. Er unterstützte den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump (76), bot Corona-Skeptikern eine Plattform und sorgte mit Äusserungen gegen syrische Flüchtlinge für Empörung.
Als die Angestellten von Servus TV 2016 einen Betriebsrat gründen wollten, um ihre Anliegen besser zu vertreten, drohte Mateschitz kurzerhand mit der Schliessung des TV-Senders. Er setzte sich damit durch, einen Betriebsrat gibt es bei Servus TV bis heute nicht.
Nachfolger steht bereit
Dem Erfolg des Imperiums konnte die Kritik an Dietrich Mateschitz nie etwas anhaben. Selbst Corona konnte Red Bull nicht bremsen, obwohl wegen der Pandemie keine Partys und Festivals stattfanden. 2021 setzte Red Bull einmal mehr Rekordmarken bezüglich «Absatz, Umsatz, Produktivität und Betriebsgewinn», wie es auf der Firmenhomepage heisst. Konkret: Der Konzern hat 2021 9,8 Milliarden Dosen verkauft und einen Umsatz von umgerechnet 7,5 Milliarden Franken erzielt.
Das Red-Bull-Imperium dürfte auch nach dem Tod des Gründers Dietrich Mateschitz unter Kontrolle der Familie bleiben. Sein Sohn Mark steht für die Nachfolge bereit.