Wenn der Westen ein Embargo gegen Putin beschliesst
Der Schweiz droht das Gas-Fiasko

Nach Putins Massaker im Kiewer Vorort Butscha dürften diese Woche neue Sanktionen gegen Russland folgen. Die EU-Staaten diskutieren erstmals ernsthaft über ein mögliches Gas-Embargo. Das wäre für die Schweiz ein echtes Problem, sagt Energieexperte Andreas Tresch.
Publiziert: 05.04.2022 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2022 um 07:24 Uhr
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Im Kiewer Vorort Butscha hat die russische Armee rund 300 Zivilisten getötet.
Foto: keystone-sda.ch
Nicola Imfeld

Diese Bilder schockieren die Welt! Leichen auf den Strassen des Kiewer Vororts Butscha. Die Spuren eines Massakers. Putins Truppen haben bei ihrem Abzug aus der Stadt ein Schlachtfeld hinterlassen. Insgesamt sollen über 300 Zivilisten den Russen zum Opfer gefallen sein.

Der Druck auf den Westen nach härteren Sanktionen ist an diesem Wochenende weiter gestiegen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) fordert von der EU ein Gas-Embargo. Ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland gilt als einschneidende Massnahme, würde das doch die Europäer und speziell die Deutschen, die sehr vom russischen Gas abhängig sind, schwer treffen.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (63) hat am Wochenende weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt. «Wir werden im Kreis der Verbündeten in den nächsten Tagen weitere Massnahmen beschliessen», sagte er. «Putin und seine Unterstützer werden die Folgen spüren.»

Und Deutschlands Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (56) hat sogar erstmals einen Stopp russischer Gaslieferungen ins Gespräch gebracht. Im Kreise der EU-Minister müsse ein Stopp der Gaslieferungen «miteinander besprochen werden», sagte sie auf eine entsprechende Frage. Offenbar schliessen auch die Italiener die Massnahme nicht mehr aus.

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«Die Schweiz stände vor einem echten Problem»

Doch was würde ein Gas-Embargo für die Schweiz bedeuten? Klar ist: Auch wir sind von Putins Reserven abhängig. Jeder fünfte Schweizer Haushalt heizt aktuell mit Gas. Insgesamt 15 Prozent des nationalen Energiebedarfs werden durch Gas abgedeckt. Fast die Hälfte davon kommt aus Russland. «Die Schweiz stände vor einem echten Problem, sollte es so weit kommen», sagt Andreas Tresch (32) vom Beratungsunternehmen Enerprice.

Der Energieexperte erklärt: «Deutschland müsste wohl schnell einen Notstand ausrufen, wenn es kein Gas mehr aus Russland beziehen möchte. Die erste Frühwarnstufe für die Gasversorgung wurde bereits ausgerufen.» Berlin und die weiteren EU-Staaten hätten dank Gasspeicher vor Ort sowie den ankommenden Gasflüssen aus Norwegen und per Flüssigerdgas aus Katar und den USA eine gewisse Überbrückungsfrist und einen wesentlichen Vorteil gegenüber der nachgelagerten Schweiz.

«Aber sobald die Wärmenachfrage Anfang Oktober 2022 zurückkommt, werden die bestehenden Gasflüsse und Speicherstände nicht mehr reichen.» Der Schweiz droht schon früher das Gas-Fiasko: «Es ist damit zu rechnen, dass die EU-Staaten mit der Einführung eines Embargos einen Export-Stopp beschliessen könnten und Drittstaaten wie die Schweiz keine Gas-Lieferungen mehr erhalten würden.»

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Zwacken wir den Italienern Gas ab?

Bedeutet: In der Schweiz könnten die Leitungen schon Ende 2022 leer sein. Haushalte, die heute mit Gas heizen, müssten sich dann warm einpacken. «Der einzige Trumpf, der die Schweiz hat, ist die Transitleitung von Norden nach Süden, die nach Italien führt», sagt Tresch. Es wäre denkbar, dass die Schweiz in einem Notstand den Italienern Gas abzwacken könnte. «Das könnte politisch heikel sein. Bundesbern müsste einen solchen Schritt legitimieren können, beispielsweise indem man sich jetzt in europäische Speicher einkauft», erklärt Tresch.

Ob es wirklich zu einem vollständigen Gasembargo kommt, bezweifelt der Energieexperte noch. «Das russische Gas ist für uns wichtiger als für den Kreml. Wenn man Putin schaden will, dann muss man konsequent auf russische Öl-Lieferungen verzichten.» Dieser Rohstoff bringt dem Kreml das meiste Geld. Doch auch hier lauert die Gefahr, dass Putin als Gegenmassnahme einen Stopp der Gaslieferungen eigenhändig beschliessen könnte.

Strompreise werden explodieren

Egal wie es kommt: Die Schweizerinnen und Schweizer werden den Ukraine-Krieg und die Sanktionspolitik im Portemonnaie zu spüren kriegen.

Die Erdgaspreise explodieren auch für Schweizer Haushalte bereits, und die Strompreise werden aufgrund der Regulierung mit etwas Verzug im Jahr 2023 folgen, sagt Energieexperte Tresch.


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