Diese Füsse an den Olympischen Spielen in Peking fallen auf: Im Parallel-Riesenslalom beim Snowboard tragen praktisch alle Athletinnen und Athleten knallgelbe Schuhe. Sechs Medaillen sind in dieser Disziplin vergeben worden, fünf Medaillengewinner standen mit gelben Snowboardschuhen auf dem Podest.
Dahinter steckt nicht etwa ein Modetrend, sondern eine Schweizer Innovation! Das grelle Wunderwerk an den Füssen der Profisportler kommt aus dem Val Müstair im Kanton Graubünden.
Das Kleinstunternehmen Mountain Slope hat den Schuh entwickelt. Die federführenden Köpfe dahinter: Jennifer (43) und Hansruedi Ammann (45). Er war als Snowboarder einst selber Teil des Weltcups, hat ausserdem einen berühmten Cousin im Olympia-Zirkus: Skispringer Simon Ammann (40).
Magdalena Martullo-Blocher am Erfolg beteiligt
Jennifer und Hansruedi Ammann haben ihren Schuh erst vor fünf Jahren auf den Markt gebracht. Heute beherrschen sie die alpinen Disziplinen bei den Snowboardern wie keine andere Marke. «90 Prozent der Männer und 80 Prozent der Frauen im Weltcup tragen unseren Schuh», erzählt Jennifer Ammann stolz.
Woher kommt der durchschlagende Erfolg des Bündner Jungunternehmens? «Unsere Spritzgussformen und der Spezialkunststoff machen den Unterschied», erklärt Jennifer Ammann. Beim Schuh aus dem Val Müstair handelt es sich um einen sogenannten Hardboot. Bei den Amateuren auf den hiesigen Pisten sind Softboots geläufiger. Im alpinen Profi-Snowboard braucht es für die höhere Kraftübertragung aber die harten Schalen aus Plastik.
Der Bündner Spezialchemiekonzern Ems-Chemie hat den Kunststoff eigens für das Unternehmer-Ehepaar Ammann entwickelt. Stolz präsentierte Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher (52) den Schuh letzte Woche denn auch an der Bilanzmedienkonferenz ihres Unternehmens.
Ein Drittel teurer als die Konkurrenz
«Unser Schuh ist leicht wie ein Skitourenschuh», so Ammann. «Und der Kunststoff verändert sich kaum. Egal wie kalt oder heiss es ist, der Schuh bleibt immer genau gleich steif.» Für die Profisportler ist das entscheidend, etwa wenn bei den Olympia-Rennen in Peking Temperaturen von bis zu minus 20 Grad herrschen.
Die grellgelbe Schweizer Qualität an den Füssen der Profi-Snowboarder hat ihren Preis: Der Schuh ist ein Drittel teurer als die Konkurrenzprodukte. Je nach Modell kostet ein Paar zwischen 890 und 1090 Franken. Im Vergleich zu früher sei das aber immer noch günstig, erzählt Jennifer Ammann. «Früher gab es Schuhe der Firma Northwave, hergestellt aus einem Vorgängermaterial. Die haben vor über 20 Jahren mit der Produktion aufgehört.» Die Athleten rissen sich seither um Secondhandmodelle des legendären Schuhs. Auf Ebay und anderen Plattformen wurden Preise von bis zu 4000 Franken verlangt.
Bald auch für Kinderfüsse
Erst mit dem grellgelben Schuh aus dem Val Müstair haben die Snowboarder nun offenbar einen würdigen Nachfolger gefunden. Hergestellt werden die Schuhe in Treviso (I), nur drei Stunden vom Val Müstair entfernt. «In der Pandemie war es von grossem Vorteil, dass wir keine Teile aus Asien verwenden», sagt Jennifer Ammann.
Verkauft werden die Schuhe bei Fachhändlern in der Schweiz, Österreich oder gar Kanada und Australien. Doch dem Medaillenregen an Olympia zum Trotz: Der Schweizer Snowboardschuh ist ein Nischenprodukt. Genaue Produktionszahlen will Mountain Slope nicht bekannt geben. Nur so viel: Die Verkaufszahlen steigen. Und: «Wir wollen wachsen!», stellt Jennifer Ammann klar.
Vor allem bei den Kindern. Bis jetzt gibt es den knallgelben Schuh erst ab Grösse 35. «Nun arbeiten wir an kleineren Schalen.» Gut möglich also, dass der Snowboardschuh aus dem Val Müstair bald nicht mehr nur auf dem Olympia-Podest leuchtet, sondern auch auf den hiesigen Skipisten.