Blick: Frau Martullo, im letzten Sommer forderten Sie ein neues AKW – jetzt haben Sie Unterstützung bekommen, von der FDP.
Magdalena Martullo-Blocher: Ja, die FDP ist aber noch nicht vollständig dabei. Sie wollten das Energiegesetz, jetzt müssen sie eine Kehrtwende machen …
Energiekonzerne winken aber ab – Atomstrom sei einfach nicht rentabel. Und bis ein AKW stünde, wäre es zu spät.
Für ein neues AKW braucht man zehn bis 20 Jahre. Darum müssen wir jetzt anfangen, das zu planen. Ausserdem ist wichtig, dass die heutigen AKWs so lange laufen, wie sie sicher sind. Sonst fehlt uns ein Drittel des Stroms. AKWs sind nach wie vor günstiger als Solarenergie, wenn man deren massiven Subventionen und die geringe Produktion aufgrund der Sonnenstunden berücksichtigt. Warum sind wohl heute weltweit 57 AKWs im Bau? Und der französische Präsident Emanuel Macron hat gerade den Bau von weiteren 14 bekanntgegeben.
In der Schweiz gibt einen Volksentscheid, der den Neubau von AKWs verbietet. Gilt der nichts mehr?
Eine Planung wäre wohl möglich, vor dem Bau bräuchte es dann wohl eine Volksabstimmung. Wir werden die Lücke, die durch den Wegfall der heutigen AKWs entsteht, nicht mit Solarstrom füllen. Jeder weiss, das sind des Kaisers neue Kleider!
Energieministerin Simonetta Sommaruga will deswegen die Verfahren straffen und zudem eine Winterreserve schaffen.
Das Rumpflästerle wird nichts bringen. Frau Sommaruga traut dem ja selbst nicht und spricht nun von einem Gaskraftwerk. Damit gibt sie zu, dass die linksgrüne Energiestrategie gescheitert ist! Aber statt vorwärts zu machen, macht sie runde Tische und sagt, sie sei mit der Branche in Kontakt, um die Versorgung zu sichern. Das bringt nichts.
Warum nicht?
Die Stromkonzerne haben nicht mehr den Auftrag, die Schweiz mit genügend günstiger Energie zu versorgen. Sie verstehen sich – obwohl sie mehrheitlich im Besitz von Kantonen sind – als private Unternehmen, die in erster Linie ihren Gewinn maximieren. Dafür spekulieren sie auch mit Milliardenbeträgen an der europäischen Strombörse – wie Banken, aber ohne Regulierung! Bei Fehlspekulationen oder unternehmerischen Fehlern soll dann der Staat einspringen. Alpiq etwa bettelte im letzten Jahr beim Bund um Milliarden! Da war das Geschäft nicht mehr so privat, was? Dann geht es plötzlich um Versorgungssicherheit und der Staat soll zahlen.
Frau Martullo, Sie klingen wie eine Linke! Sie prangern an, dass Gewinne privatisiert, Verluste aber verstaatlicht werden!
Genau. Mich wundert es, dass die Kantone, die mit eigenen Vertretern in den Verwaltungsräten sitzen, die Stromkonzerne nicht mehr kontrollieren. Auch sie weisen lieber hohe Gewinne und Dividenden aus. Doch statt für mehr Produktion zu sorgen, hat die Strombranche den Grosskunden aus der Wirtschaft im letzten Herbst angekündigt, dass man bei einer Knappheit Kontingente einführen werde.
Das war nicht die Branche, sondern die Ostral, eine Organisation des Bundes.
Und wer sitzt da drin? Die Stromkonzerne und der Netzbetreiber Swissgrid. Das heisst: Sogar bei der Landesversorgung bestimmt die Strombranche! Die 30'000 grossen Stromverbraucher wurden im Januar informiert, dass sie sich auf eine Reduktion des Stroms von 10 bis 30 Prozent für zwei Monate einstellen müssten! Ihre Lieferverträge und die im Voraus getätigten Stromkäufe würden ausgesetzt! Das heisst, dass die Strombranche nicht nur ihren eigenen Strom, sondern auch den von den Grossverbrauchern bereits eingekauften Strom übernehmen und teuer verkaufen will!
Wie bitte?
Ja. Den Strom, den sich die Ems schon günstig gesichert hat, übernehmen dann die Stromkonzerne und verteilen ihn nach Gutdünken. Zu einem höheren Preis, selbstverständlich. Das heisst: Wirtschaft und Privathaushalte werden in einer Mangellage runtergefahren, die Stromkonzerne streichen den Gewinn ein. Sie haben also kein Interesse daran, die Knappheit zu verhindern, denn sie profitieren davon. Ich wehre mich gegen diese Abzocke! Wir dürfen uns von den Stromkonzernen nicht erpressen lassen.
Was ist die Lösung?
Frau Sommaruga muss jetzt ein Gaskraftwerk ausschreiben. Das bringt schnell die benötigte Menge Winterstrom.
Genau das lässt sie ja jetzt abklären.
Leider will sie auch das subventionieren. Ich mag das Gejammer der Strombranche über die «unrentablen neuen Kraftwerke» nicht mehr hören. Damit pressen sie vom Bund hohe Subventionen heraus. Die Stromkonzerne sollen neu sogar Geld erhalten, wenn sie Stauseen im Winter leeren, was sie sowieso immer taten! Ein Gaskraftwerk ist einfach zu betreiben. Die Ausschreibung soll offen und international erfolgen. Auch bei der Ems-Chemie haben wir beispielsweise einen Gasanschluss und Hochspannungsleitungen.
Aha, daher weht der Wind!
Nein, nein, ich muss kein Gaskraftwerk betreiben. Aber bevor die Schweiz ohne Strom bleibt, würde ich das tun! Oder bevor mir so ein Strom-Abzocker aufzwingt, wie viel Strom ich zu welchem Preis bekomme. Der Bund muss die Rahmenbedingungen offen gestalten.
Muss man den Konzernen wieder einen Versorgungsauftrag geben?
Ja. Der Markt funktioniert heute nicht, die Versorgung wird längerfristig nicht sichergestellt. Die Aufsichtskommission Elcom hat das klar gesagt, bis jetzt zögert Bundesrätin Sommaruga aber noch. Strom ist überlebensnotwendig, wenn man den Strom abstellt, legt man das ganze Land lahm! Grossverteiler stellen dann ihre Bäckereien oder ihre Gemüsekühllager ein, der ÖV bedient nur noch gewisse Linien, das Handynetz wird runtergefahren, die Unterbrüche in den Chemiewerken führen zu Explosionen und die Exportindustrie verliert die Geschäfte für immer nach Asien… Eine ähnliche Situation hatte China im letzten Herbst, als ihre Kohle knapp wurde. Es gab sogar Tote!
Der Bündner Chemie-Konzern Ems-Chemie steigerte den Umsatz im vergangenen Jahr um 25,1 Prozent auf 2,25 Milliarden Franken. Den grössten Teil davon erzielte das Unternehmen mit Polymeren, aus denen vor allem Autoteile, aber auch etwa Skischuhe oder Spielkonsolen gefertigt werden. Zudem ist Ems auch in der Spezialchemie tätig. Im Vorjahr war der Umsatz um 16,3 Prozent eingebrochen.
Ems sei dank Neugeschäften überproportional zum Markt gewachsen, erklärte das Unternehmen. Steigende Kosten für Rohstoffe, Logistik und Energie hätten aber laufende Preisanpassung notwendig gemacht. Unter dem Strich blieben 553 Millionen Franken. In der Folge steigt die Dividende auf insgesamt 21 Franken je Aktie. Im Vorjahr hatte es 17 Franken gegeben.
Der Bündner Chemie-Konzern Ems-Chemie steigerte den Umsatz im vergangenen Jahr um 25,1 Prozent auf 2,25 Milliarden Franken. Den grössten Teil davon erzielte das Unternehmen mit Polymeren, aus denen vor allem Autoteile, aber auch etwa Skischuhe oder Spielkonsolen gefertigt werden. Zudem ist Ems auch in der Spezialchemie tätig. Im Vorjahr war der Umsatz um 16,3 Prozent eingebrochen.
Ems sei dank Neugeschäften überproportional zum Markt gewachsen, erklärte das Unternehmen. Steigende Kosten für Rohstoffe, Logistik und Energie hätten aber laufende Preisanpassung notwendig gemacht. Unter dem Strich blieben 553 Millionen Franken. In der Folge steigt die Dividende auf insgesamt 21 Franken je Aktie. Im Vorjahr hatte es 17 Franken gegeben.