Auf einen Blick
- Lukas Furtenbach plant Mount-Everest-Besteigung in sieben Tagen und erhält Morddrohungen
- Xenon-Gasgemisch soll schnelle Akklimatisierung ermöglichen, medizinische Bedenken bestehen
- Grosses Everest-Geschäft führt auch zu Auswirkungen auf die Umwelt
Lukas Furtenbach (47) ist derzeit wohl die meistgehasste Person im Geschäft mit dem Mount Everest. Gegenüber der «NZZ» offenbarte der Österreicher, dass er gerade Todesdrohungen erhalte. Was aber hat diesen Hass genau ausgelöst? Der Gründer und Geschäftsführer von Furtenbach Adventures plant, mit vier britischen Kunden den Mount Everest zu besteigen – in bloss sieben Tagen, wie er im Januar der «Financial Times» offenbarte.
Mit dieser Idee will der Tausendsassa aus Innsbruck das Bergsteiger-Geschäft am höchsten Berg der Welt revolutionieren. Es wäre die mit Abstand schnellste Expedition der Geschichte. Zu einem stattlichen Preis: Rund 150'000 Euro zahlen sie laut dem Bericht für ihr Everest-Rundum-Paket – pro Person. Blick stellt dir die Hintergründe des Pionier-Projekts vor. Und erklärt, weshalb Furtenbach so stark in der Kritik steckt.
Wie ist die Everest-Besteigung in bloss einer Woche möglich?
Lukas Furtenbach gilt als einer der führenden Anbieter von Everest-Expeditionen – dank neuer Trends, mit der er die Bergwelt schon öfter in Aufruhr versetzt hat. 2016 bot der begnadete Selbstvermarkter erstmals eine Tour aufs Dach der Welt an, die bloss drei Wochen dauerte. Auch damals ein Rekord, der aufwühlte. Herkömmliche Expeditionen gehen rund 10 Wochen. Für diese Blitz-Besteigungen setzt Furtenbauch auf ein spezielles Höhentraining zu Hause, mit dem seine Kunden ihre Leistungsfähigkeit steigern können. Konkret funktioniert das so: Die Bergsteiger schlafen im Vorfeld des Abenteuers in einem sogenannten Hypoxie-Zelt, das den Sauerstoffgehalt auf 7000 Meter über Meer simuliert, wie es auf der Firmenwebsite heisst.
Für seinen erneuten Coup mit der Sieben-Tage-Expedition wagt Furtenbach eine weitere medizinische Revolution – mit einem Gasgemisch, dessen genaue Zusammensetzung Betriebsgeheimnis ist. Bestandteil ist aber das Edelgas Xenon, wie er gegenüber verschiedenen Medien offenbart hat. Der Plan: Zwei Wochen vor dem Start des Abenteuers inhalieren die vier britischen Kunden 30 Minuten lang Xenon über ein spezielles Narkosegerät und unter Aufsicht von Medizinern.
Was ist Xenon genau?
Xenon ist ein farb- und geruchloses Wundermittel. Unter anderem wird es als Narkosemittel bei Operationen genutzt – jedoch nur selten, weil es schwer zu gewinnen und darum extrem teuer ist. Xenon kam aber auch beim russischen Staatsdoping vor den heimischen Olympischen Spielen 2014 in Sotschi zum Einsatz. Wer Xenon inhaliert, erhöht die Konzentration des berüchtigten Hormons Erothrypoetin, das geläufig als Epo bekannt ist. Der Athletenkörper bekommt dadurch blitzartig einen Sauerstoff-Boost. Deshalb steht das Wundermittel auf der Dopingliste. Für Höhenbergsteiger gilt das Verbot der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) aber nicht. Im Fall der Briten sorgt das Edelgas aber dafür, dass eine mehrwöchige Akklimatisierung nicht nötig ist – so die Idee.
Ist das Einatmen von Xenon gefährlich?
Die Verwendung von Xenon, wie es Furtenbach vorhat, ist Teil der Kritik an seinem Vorhaben. Denn es gibt von verschiedenen Seiten medizinische Bedenken. Die medizinische Kommission des Alpinisten-Weltverbands UIAA warnt in einer Stellungnahme: «Eine unsachgemässe Verwendung kann gefährlich sein.» Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Christian Seiler, Kardiologe und emeritierter Professor für Medizin am Berner Inselspital. Sein Gastbeitrag für die «Berner Zeitung» ist überschrieben mit: «Lebensgefährliches Doping für Turbo-Besteigungen.»
Furtenbach, der seine Xenon-Kur bei eigenen Everest-Besteigungen selbst getestet hat, verteidigt sein Experiment in der «NZZ» so: «Es tönt zu schön, um wahr zu sein, aber bereits eine halbstündige Anwendung hat einen Effekt, der mehrere Wochen anhält.» Der Unternehmer stützt sich auf Erkenntnisse des deutschen Anästesie-Chefarztes Michael Fries. «Xenon ist kein Hokuspokus», sagte dieser der Zeitung.
Warum kritisiert ihn auch die eigene Community?
Auch viele traditionelle Bergsteiger kritisieren Furtenbachs Pläne scharf. Das ist er sich gewohnt. In Zeiten von Social Media schlägt die Kritik nun auch auf Hass über. Ein prägnantes Beispiel: Einer wie er gehöre nach Ausschwitz, hat ihm jemand laut «NZZ» in einer E-Mail geschrieben. Sogar den Verfassungsschutz musste er gemäss Bericht einschalten. «Es ist mir unerklärlich, woher diese Bösartigkeit kommt», sagte Furtenbacher in einem Interview mit dem «Standard». Er muss dabei als Symbol der zunehmenden Kommerzialisierung des Mount Everest herhalten. Negative Konsequenzen davon: Staus kurz vor dem Gipfel und Abfallberge in den Basislagern. Das Land Nepal, das mit seinem bekanntesten Berg jedes Jahr viele Millionen Dollar verdient, steht deshalb in der Kritik, zu viele Everest-Genehmigungen auszustellen.
Und die gut 300 Genehmigungen, die Nepal jedes Jahr vergibt, sind heiss begehrt. Denn immer mehr Anbieter von Expeditionen haben die Magie des höchsten Berges der Welt als Geschäftsfeld entdeckt. Dadurch sind auch die Preise gesunken, mittlerweile gibt es Expeditionspakete für einige 10'000 Dollar. In diesem hart umkämpften Umfeld will sich Furtenbach mit seinem Pionier-Projekt einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Generell ist er aber eher im hochpreisigen Segment unterwegs. Seine Touren umfassen etwa Menüs von Sterneköchen inklusive Wein oder Sauna-Gänge im Basislager. Und zumindest für die vier waghalsigen Briten auch eine Xenon-Kur.