Für Oswald Grübel (76) war seit Ausbruch der CS-Beschattungsaffäre klar: Tidjane Thiam (57) muss gehen. «Das ist eine Frage des Charakters», sagte er damals im Oktober 2019 zu BLICK. Der gebürtige Deutsche stand von Ende 2002 bis 2007 selbst an der Spitze der Credit Suisse. Er kennt Thomas Gottstein (55) aus gemeinsamen Zeiten bei der Schweizer Grossbank. Grübel hält den neuen CS-CEO für eine gute Wahl.
BLICK: Herr Grübel, Sie haben bereits im Herbst den Rücktritt von CS-CEO Tidjane Thiam gefordert. Sind Sie jetzt zufrieden?
Oswald Grübel: Die Situation von damals lässt sich mit der Situation heute nicht vergleichen. Die CS-Beschattungsaffäre hat sich zu einer ganzen Saga ausgeweitet, die ist nun zum Abschluss gekommen.
Warum gerade jetzt?
Interessanterweise hat gerade der Druck zweier Grossaktionäre den Anfang vom Ende der Ära Thiam eingeläutet. Dieses Ultimatum an den Verwaltungsrat war ein Fehler.
Inwiefern?
Dieses Ultimatum, dass Thiam unbedingt Konzernchef bleiben muss, war ein Angriff auf die Grundrechte des Verwaltungsrates. Es ist seine Aufgabe, die Geschäftsleitung zu bestimmen. In dem Moment, wenn Aktionäre dem VR in seine Kernkompetenzen reinreden, dann muss er handeln oder zurücktreten. Durch ihr Verhalten haben diese Aktionäre dem VR gar keinen Spielraum mehr gelassen. Er musste handeln.
Und Thiam vom Rücktritt überzeugen. Das heisst, der Grossaktionär David Herro von Harris Associates hat Tidjane Thiam einen Bärendienst erwiesen?
Ja. Das nennen wir hier so. Weder Thiam noch Herro haben vorausgesehen, was sie mit dem Druck auf den Verwaltungsrat genau auslösen.
Wie kann man so blind sein?
Ich weiss nicht, was sie zu diesem Schritt bewogen hat, aber das Verhalten der Grossaktionäre zeugt doch von einer absoluten Überheblichkeit. Dem Verwaltungsrat kann man nur gratulieren, dass er sich von aussen nicht hat beeinflussen lassen.
Wie beurteilen Sie den Abgang von Tidjane Thiam?
Der Abgang von Thiam ist eine elegante Lösung. Er hat offenbar gekündigt, er wurde nicht entlassen. Zudem darf Thiam noch das Jahresergebnis, das er ja zu verantworten hat, präsentieren.
Nun übernimmt Thomas Gottstein die Führung der Credit Suisse. Ist er der richtige Mann?
Ja, Gottstein ist der richtige Mann für die CS. Das sollte für ihn kein Problem sein. Ich kenne ihn gut aus meiner Zeit bei der CS. Er ist in der Lage, die Bank zu führen. Er kennt sich im Investmentbanking aus und hat nun auch Erfahrung im Schweizer Kerngeschäft gesammelt.
Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Er ist ein ruhiger Mensch mit einem bestimmten Auftreten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger tritt er auch nicht in fragwürdigen sozialen Medien auf. Auf Instagram habe ich ihn jedenfalls noch nicht gesehen. (Anmerkung der Red.: Tidjane Thiam hat seit kurzen ein Instagram-Konto).
Und Urs Rohner – kann er Präsident der CS bleiben bis zum Ende seiner Amtszeit 2021?
Ja, natürlich.
Wie wichtig ist es, dass Gottstein Schweizer ist?
Das ist heute wichtiger als noch vor ein paar Jahren. Vor allem weil sich das Gesamtgeschäft der CS immer mehr auf die Schweiz konzentriert. Eine Schweizer Führung, dass erwarten die Schweizer Kunden und auch die Bevölkerung von der Bank.
Wie steht es um die Reputation der CS, ist der Ruf nun wieder hergestellt?
Man muss dem VR gratulieren, er hat es im letzten Moment geschafft, die Sache wieder geradezubiegen. Natürlich hat die ganze Affäre zu einem Reputationsschaden geführt, doch nun kann die Bank wieder zurück zur Normalität kehren.
Oswald Grübel (74) ist der Einzige, der es je an die Spitze beider Schweizer Grossbanken geschafft hat – erst bei Credit Suisse, später bei der UBS. Seit seinem Rücktritt dort ist Grübel sozusagen im Unruhestand. Täglich beobachtet er weiterhin die Märkte. Mit Erfolg. Die «Bilanz» zählt den gebürtigen Deutschen zu den 300 Reichsten der Schweiz.
Oswald Grübel (74) ist der Einzige, der es je an die Spitze beider Schweizer Grossbanken geschafft hat – erst bei Credit Suisse, später bei der UBS. Seit seinem Rücktritt dort ist Grübel sozusagen im Unruhestand. Täglich beobachtet er weiterhin die Märkte. Mit Erfolg. Die «Bilanz» zählt den gebürtigen Deutschen zu den 300 Reichsten der Schweiz.