Die Migros hat ein gewaltiges Firmenimperium. Und nun sollen die Supermärkte in den einzelnen regionalen Genossenschaften noch näher zusammengeführt werden, was die Kundschaft an der Front spüren wird. Auch hinter den Kulissen, im Bereich der Technologie, treibt die Migros den digitalen Wandel voran. Da werden nun die Weichen gestellt, die Super- und Fachmärkte, Freizeitanlagen, Klubschulen, Gastronomiebetriebe sowie die genossenschaftsunabhängige Töchter wie Denner, Migros Bank oder den Industriebetrieb Delica näher zusammenzurücken.
Dominic Grau (39) ist «Head Digital Strategy & Experience» beim Migros-Genossenschaftsbund. Er begleitet diese enorme digitale Transformation aus nächster Nähe. Im Gespräch mit Blick erklärt Grau, wie dabei das Konzept der «Digitalen Zwillinge» neue Möglichkeiten schafft.
Die Vernetzung ist das A&O
Von allen Migros-Kunden gibt es laut Grau ein digitales Pendant. Über ihren Migros-Account stellen Kundinnen und Kunden gängige Kundendaten (Name, Adresse, Zahlungsart etc.) dem orangen Riesen zur Verfügung. Gleichzeitig können sie selber Informationen, etwa ihre Einkaufsgewohnheiten, einsehen. «So können wir mit passenden Vorschlägen ihren Bedürfnissen entsprechend das digitale Kauferlebnis verbessern», schwärmt Grau. Es gehe um relevante, personalisierte Vorschläge: «Vegetarier erhalten also keine Fleischwerbung von uns», schmunzelt Grau. Oder: Läuft eine Garantie ab, wird das System automatisch Erinnerungen generieren.
Mehr zur Digitalisierung in der Schweiz
Schon zuvor besass die Migros einen Datenschatz, etwa über die Cumulus-Karten, der nun bedeutend wachsen soll. Neu ist, dass die Daten mehrerer Unternehmensteile in eine Plattform einfliessen. «Wir vernetzen bislang 53 Einheiten des Migros-Konzerns enger miteinander», erklärt Grau. Noch sind nicht alle Unternehmenseinheiten – zum Beispiel Hotelplan – digital vernetzt, «aber wir arbeiten daran», so Grau.
Die Datenmenge auf der neuen, zentralen Plattform wird immer grösser. Die Migros weiss dann nicht nur, welche Lebensmittel gekauft werden, sondern auch, welche Fitness- oder/Weiterbildungskurse gebucht werden, welches die Lieblingsrezepte sind und was Kunden bei Tochter-Dental-Start-up Bestsmile richten lassen.
Gleichzeitig werden Bedürfnisse und Möglichkeiten des einzelnen Kunden immer deutlicher. Anhand dessen kann die Migros diesen effizienter entgegenkommen. Grau wischt Vorbehalte zu diesem Datenschatz vom Tisch: «Der verantwortungsvolle Umgang und der geregelte Zugang zu diesen Daten ist von grosser Bedeutung.» Die Migros bewege sich selbstverständlich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Die Kunden werden auf den digitalen Plattformen entsprechend informiert.
Es gibt von fast allem eine digitale Abbildung
Es gibt jedoch nicht nur von Kunden digitale Zwillinge. Solche gibt es auch von Migros-Produkten. Die bisher auf der Migros-Produktseite vorhandenen Informationen werden laufend ergänzt. Das Ziel sei, die Wertschöpfungskette, also den Weg des Produkts vom Feld bis ins Regal, digital abbilden zu können. Grau schildert die Vision: «Künftig soll jeder Kunde auch im Laden mit dem Handy schnell sehen können, woher ein Produkt kommt, wer es angebaut und geerntet hat, wie es in die Schweiz kam und welchen ökologischen Fussabdruck es damit hinterlassen hat.»
Es gibt zudem digitale Zwillinge von Filialen: Indem Daten jeder Filiale gesammelt und verwertet werden, kann die dortige Sortimentsgestaltung optimiert und der lokalen Kundschaft angepasst werden. Ein Ziel: weniger «Unverkauftes» in den Läden. Eine «Daueroptimierung» erfolgt auch bei den Transportrouten: Anhand digitaler Zwillinge werden die LKW-, Schiff- und Flugrouten optimiert.
Was heisst das für die Kunden?
Wer komplett offline lebt, profitiere nicht im vollen Umfang von all diesen Verbesserungen der Migros. Aktuell seien laut Grau im Monat eine Million Schweizerinnen und Schweizer über ihren Migros-Account aktiv. Das Potenzial ist etwas das Fünffache davon.
Wie viel genau die Migros in die digitale Transformation investiert, will Grau nicht verraten. Es dürfte ein dreistelliger Millionenbetrag sein.
Dass die Preise für die Kundschaft aufgrund der Optimierungen sinken, sei «wünschenswert, aber nicht garantiert». Letztlich geht es um Kundenfreundlichkeit und darum, «zukunftsfähige Bedürfnisse» zu entdecken und zu testen. So geschehen beispielsweise bei der Lancierung des Schnelleinkaufssystems Subito Go vor einem Jahr, bei dem Kunden mit dem Handy den ganzen Einkauf erledigen können.
Für Grau ist es selbstredend, dass die Migros bei der technischen Innovation an vorderster Front dabei sein muss. Smarte Kühlschränke, die selber fehlendes Essen bestellen? Eigentlich schon keine Zukunftsvision mehr. Beängstigend? Mitnichten. «Der Mensch geht nicht weg», versichert Grau. Technologie diene nur dazu, die Bedürfnisse besser abzuholen. Und, im vorliegenden Fall, den Kunden im Konzern-Ökosystem zu behalten.