«Zu dieser Hose hätte ich Ihnen auch noch den passenden Gürtel», sagt Christian Preisig (47), Inhaber und Geschäftsführer der Dux Textilien AG mit drei Modeboutiquen in Schaffhausen und Neuhausen SH. Sein Kunde schaut sich die Gürtelauswahl an, wählt einen geflochtenen Ledergurt aus.
Preisig ist erfahrener – und leidenschaftlicher! – Verkäufer und gehört damit zu einer jener Berufsgattungen, die von den aktuellen Umwälzungen im Arbeitsmarkt am stärksten betroffen sind. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Amosa (Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich).
«Outfit Inspo» bei Instagram
Nicht nur Self-Checkout-Kassen oder die Konkurrenz durch den Onlinehandel haben die Jobs im Detailhandel in den letzten Jahren verändert. Die Digitalisierung ist omnipräsent: Über ein Tablet checkt Sandra Capozzi (44), seit 20 Jahren Filialleiterin in einem der drei Dux-Geschäfte, den Lagerbestand, platziert beim Lieferanten im Nu eine Nachbestellung oder verarbeitet die Reklamation eines Kunden. Das verbessert den Service – erhöht aber auch die Ansprüche an die digitale Fitness des Verkaufspersonals.
«Wir versuchen, wöchentlich neue Bilder auf unseren Instagram-Kanal zu laden», erzählt Capozzi. Auch sogenannte Reels, Instagram-Kurzvideos, produziert sie. «Outfit Inspo», steht darüber, die Videos werden mehrere Tausend Mal angeschaut. «Manchmal sehe ich ganz direkt, wie das die Kundinnen beeinflusst. Sie melden sich und bitten darum, dass wir ihnen genau dieses Outfit reservieren.»
Höhere Beratungskompetenz gefordert
Preisig und Capozzi sind alles andere als digitale Verweigerer – einen Online-Shop führen sie trotzdem nicht. «So schickt man die Kundschaft ja erst an den Computer», argumentiert Capozzi. Um sie dann an Zalando & Co. zu verlieren, die tiefere Preise bieten. Hinzu kommen die Kosten für die Pflege des Onlineshops, den Versand der Ware, die Retouren.
«Wir spielen lieber unsere Stärke hier im Laden aus», begründet Preisig. Die Kundschaft ist anspruchsvoller geworden, auch das belegt die Amosa-Studie. «Eine online vorinformierte Kundschaft erfordert eine hohe Beratungskompetenz im Detailhandel», sagt dazu Dagmar Jenni (54), Direktorin des Detailhandelsverbandes Swiss Retail Federation.
Manches bleibt beim Alten
Weil die Kundinnen und Kunden alles mit einem Wisch auf dem Smartphone vergleichen können, lassen sie sich nicht mehr ins Bockshorn jagen von Ladenbetreibern, die hohe Margen einstreichen. «Es hat eine Bereinigung stattgefunden. Und das ist auch gut so», bilanziert Preisig.
Der Job im Detailhandel sei durch die Entwicklungen der letzten Jahre anspruchsvoller geworden – aber auch spannender. «Ich würde eher auf das andere Modell setzen», sagt Preisig zu einem Kunden, der eine Hose anprobiert. Auch das gehört zum Job: Vom Kauf abraten, wenn das Kleidungsstück einfach nicht sitzt. Daran hat auch die Digitalisierung nichts geändert.