VZ-Studie zu nachhaltigen Anlagen – zu grün, um wahr zu sein
Warum du Öko-Versprechen der Anlageberater hinterfragen solltest

Mit seinem Ersparten Rendite erzielen und dabei die Welt retten – das ist der Traum vieler Anleger. Allerdings gibt es dabei nur allzu oft ein böses Erwachen. «Es ist schlimmer als alle schreiben», sagt ein Finanzexperte. Nachhaltig Anlegen ist gar nicht so einfach.
Publiziert: 18.11.2023 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 18.11.2023 um 09:44 Uhr
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Das Geld soll spriessen und dabei soll auch die Umwelt profitieren.
Foto: Getty Images
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Sorgen um die Umwelt oder das Wohlergehen unserer Mitmenschen machen wir uns alle. Deshalb wollen viele auch beim Geldanlegen Gutes tun, setzen immer mehr auf nachhaltige Anlagen. Sie wollen mit ihrem Investment etwas bewirken – für die Umwelt, die Gesellschaft oder wollen Einfluss auf eine gute Unternehmensführung nehmen. Und damit idealerweise auch Geld verdienen. 

Deshalb sind die sogenannten «ESG-Kriterien» auf dem Finanzplatz in aller Munde. Wobei E für Umwelt steht (Englisch: environment), S für Soziales (social) und G für Unternehmensführung (governance). Zusammengefasst oft unter dem etwas schwammigen Begriff «nachhaltiges» Investieren.

Grosse Fragezeichen

Doch tut man wirklich nur Gutes, wenn man sein Geld nachhaltig anlegt? Zweifel sind angebracht: «Es ist schlimmer, als alle schreiben», sagt der Finanzexperte Thorsten Hens (62) von der Universität Zürich. «Studien zeigen, dass ESG-Investieren sogar schädlich für die Umwelt ist.»

Denn Firmen, die auf Soziales und gute Führung viel Wert legen, steigen in den einschlägigen Rankings automatisch nach oben – ohne dass zwingend auch nur ein Gramm CO2 eingespart wird. Das gelte zwar nicht für alle Firmen, aber im Schnitt stimme die Aussage, so Hens. 

Umso mehr lohnt es sich, genau hinzuschauen. Das VZ Vermögenszentrum hat die sieben gängigsten Behauptungen zur nachhaltigen Geldanlage auf den Prüfstand gestellt. Etwa die Behauptung, dass es bei nachhaltigen Anlagen immer um die Umwelt geht. Oder dass die Rendite bei einer nachhaltigen Anlage besser ist als bei einer klassischen. Oder eben, dass nachhaltige Anlagen immer einen positiven Effekt aufs Klima haben. Das VZ hat sich dafür sogenannte ETFs angeschaut, also an der Börse gehandelte Aktienfonds. 

Faktencheck: Sieben Behauptungen zur nachhaltigen Geldanlage
1. Bei ESG-Ratings geht es primär um umweltbezogene Aspekte

Falsch. Umweltaspekte spielen eine untergeordnete Rolle, obwohl im Marketing von Banken oftmals mit Umweltthemen geworben wird.

2. ESG-Rating-Agenturen kommen bei ihren ESG-Beurteilungen im Normalfall zum gleichen Resultat

Falsch. Das ESG-Rating ist kein einheitliches Gütesiegel. Je nach Agentur kann sich die Titelauswahl stark unterscheiden. 

3. Mittlerweile stehen viele nachhaltige ETFs zur Verfügung

Richtig. Die Auswahl ist gross. Zentral bleibt der Grundsatz: Nur in Wertschriften zu investieren, die man auch wirklich versteht. 

4. Klassische Aktien-ETFs haben in jedem Fall deutlich schlechtere Nachhaltigkeitseigenschaften als nachhaltig vermarktete Produkte

Falsch. Je nach Region, Kriterien und Indexzusammensetzung können auch klassische ETFs in ein nachhaltiges Portfolio passen. 

5. Nachhaltige Aktien-ETF sind deutlich teurer als herkömmliche Produkte

Falsch. Das war in der Vergangenheit öfters der Fall, inzwischen haben sich die Gebühren tendenziell angeglichen. Wichtig: Jeden Einzelfall prüfen. 

6. Mit nachhaltigen Aktien-ETFs kann ich im Vergleich zu klassischen Anlagen eine Mehrrendite erzielen

Jein. Teilweise ist es tatsächlich so, dass man mit nachhaltigen ETFs eine Mehrrendite erzielen kann – allerdings bei weitem nicht in jedem Fall. Anleger müssen auch mit Minderrenditen rechnen. 

7. Wenn ich mein Geld in nachhaltige Aktien-ETFs anlege, leiste ich einen positiven Beitrag für das Klima

Jein. Grundsätzlich ist eine positive Wirkung möglich, wobei dies in den meisten Fällen sehr fragwürdig ist. Deshalb sollten Anleger die vollmundigen Versprechen der Anbieter hinterfragen. Christian Kolbe

1. Bei ESG-Ratings geht es primär um umweltbezogene Aspekte

Falsch. Umweltaspekte spielen eine untergeordnete Rolle, obwohl im Marketing von Banken oftmals mit Umweltthemen geworben wird.

2. ESG-Rating-Agenturen kommen bei ihren ESG-Beurteilungen im Normalfall zum gleichen Resultat

Falsch. Das ESG-Rating ist kein einheitliches Gütesiegel. Je nach Agentur kann sich die Titelauswahl stark unterscheiden. 

3. Mittlerweile stehen viele nachhaltige ETFs zur Verfügung

Richtig. Die Auswahl ist gross. Zentral bleibt der Grundsatz: Nur in Wertschriften zu investieren, die man auch wirklich versteht. 

4. Klassische Aktien-ETFs haben in jedem Fall deutlich schlechtere Nachhaltigkeitseigenschaften als nachhaltig vermarktete Produkte

Falsch. Je nach Region, Kriterien und Indexzusammensetzung können auch klassische ETFs in ein nachhaltiges Portfolio passen. 

5. Nachhaltige Aktien-ETF sind deutlich teurer als herkömmliche Produkte

Falsch. Das war in der Vergangenheit öfters der Fall, inzwischen haben sich die Gebühren tendenziell angeglichen. Wichtig: Jeden Einzelfall prüfen. 

6. Mit nachhaltigen Aktien-ETFs kann ich im Vergleich zu klassischen Anlagen eine Mehrrendite erzielen

Jein. Teilweise ist es tatsächlich so, dass man mit nachhaltigen ETFs eine Mehrrendite erzielen kann – allerdings bei weitem nicht in jedem Fall. Anleger müssen auch mit Minderrenditen rechnen. 

7. Wenn ich mein Geld in nachhaltige Aktien-ETFs anlege, leiste ich einen positiven Beitrag für das Klima

Jein. Grundsätzlich ist eine positive Wirkung möglich, wobei dies in den meisten Fällen sehr fragwürdig ist. Deshalb sollten Anleger die vollmundigen Versprechen der Anbieter hinterfragen. Christian Kolbe

Genau hinschauen

Das Fazit von VZ-Studienautor Manuel Rütsche (39): «Das Resultat ist vernichtend, vor allem wenn man die Werbeversprechen der Banken liest.» So warb zum Beispiel eine Bank mit einer im Netz zappelnden Schildkröte für einen nachhaltigen Fonds. Andere Institute versprechen «die nachhaltige Entwicklung» oder den «Schutz unseres Planeten». 

Der Tipp von Rütsche: «Die Anleger müssen diese Werbebotschaften sehr kritisch hinterfragen.» Man müsse davon ausgehen, dass viele der beworbenen Anlagelösungen nicht wirklich eine positive Wirkung im Sinne der Nachhaltigkeit erzielen. Sein Verdacht: «Nicht die Kunden fragen mehr ESG-Anlagen nach, sondern die Banken locken mit ihren eigenen ESG-Fonds.» 

Denn es winkt das grosse Geschäft. Das Volumen nachhaltiger Anlagen steigt Jahr für Jahr, knackte in der Schweiz 2021 beinahe die 2000-Milliarden-Grenze. Einzig im letzten Jahr gab es einen Rückschlag. Das hatte aber vor allem mit dem Börsenjahr zu tun – alle Anlagenklassen verloren deutlich an Wert. Und damit, dass viele Finanzprodukte aus der Klasse der nachhaltigen Anlagen rausflogen. 

Eine Entwicklung, die Finanzexperte Hens begrüsst: «Es wird mit viel politischem Druck ein Chaos produziert, das letztlich die Anleger abschreckt.» Das dürfte sich ändern: «Ich sehe das aber eher als ‹Kinderkrankheiten› einer notwendigen Entwicklung. Mit der Zeit wird sich das Chaos bereinigen und es werden sich ein oder zwei Standards durchsetzen.» 

Bedingt für Kleinanleger geeignet

Wer sich ein grünes Mäntelchen umhängt, darf nicht Gefahr laufen, beim «Greenwashing» ertappt zu werden. Das ist auch im Interesse des gesamten Finanzplatzes. Hans-Ruedi Mosberger (58) kümmert sich bei der Bankiervereinigung um das Thema und sagt: «Gewisse Werbebotschaften sind tatsächlich fragwürdig.» Viele Kritikpunkte der VZ-Studie kann der Branchenverband nachvollziehen. 

Das Problem: Anlagen mit hohen Nachhaltigkeitsansprüchen sind für Kleinanleger eigentlich nicht geeignet. Wer nachhaltig investieren möchte, braucht einen langen Atem und muss es aus Überzeugung tun. «Die Motivation, durch meine Geldanlage auch noch die Welt verbessern zu können, ist aber schwierig zu erfüllen», so Mosberger. Deshalb gebe es immer mehr Fonds, die sich nicht mehr als «nachhaltig» bezeichnen, sondern nur noch als «mit Nachhaltigkeit verknüpft». 

Ein wichtiger Unterschied, ganz im Sinne des Bundesrates. Dieser hat vor kurzem die Ausarbeitung einer Verordnung zur «Vermeidung von Greenwashing» in Auftrag gegeben.

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