Von Sanktionen nicht betroffen, trotzdem abgestraft
Schweizer Banken sperren ungerechtfertigt russische Kundenkonten

Der Bankensektor in der Schweiz bewegt sich mit seinen russischen Kunden oder Kunden mit Verbindungen zu Russland auf dünnem Eis. Viele Unternehmen und Personen beklagen sich, dass ihre Konten eingefroren wurden. Auch eine Flüchtlingshelferin ist betroffen.
Publiziert: 24.04.2022 um 12:27 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2022 um 12:43 Uhr
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Schweizer Banken schiessen bei den Sanktionen gegen russische Staatsangehörige übers Ziel hinaus.
Foto: PIUS KOLLER

Die Schweiz erntete international scharfe Kritik, bei den Sanktionen gegen Russland nicht mitzumachen. Nach anfänglichem Zögern hat die Schweiz die EU-Sanktionen schliesslich doch noch übernommen. Im Gegensatz dazu scheint der Schweizer Bankenplatz deutlich weniger zimperlich vorzugehen. Einige Banken sollen dabei deutlich übers Ziel hinausschiessen.

«Ich kenne ein Unternehmen, dessen Konten von einem Tag auf den anderen von der UBS ohne die geringste Begründung gesperrt wurden und das deshalb seine Schweizer Lieferanten nicht mehr bezahlen konnte», erklärte Guy Mettan gegenüber dem Finanznachrichtenportal AWP. Mettan ist Präsident der Handelskammer Schweiz-Russland & GUS.

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Zahlreiche weitere Fälle

Seit 28. Februar gelten für die Schweizer Finanzkraft einschneidende Sanktionen: Zum Massnahmenkatalog zählen das Einfrieren von Vermögenswerten, das Verbot der Kreditvergabe und die Verpflichtung, Einlagen von mehr als 100'000 Franken abzulehnen. Betroffen sind davon juristische oder natürliche Personen, die mit den russischen Behörden in Verbindung stehen.

Der UBS-Kunde ist kein Einzelfall. Gemäss Mettan wurden auch einer Investmentgesellschaft «zur Finanzierung von lokalen Start-ups», die von einem russischen Staatsbürger getragen wird, die Bankverbindungen eingefroren. Dasselbe Schicksal ereilte auch eine Person mit russischer Staatsbürgerschaft, die seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz lebt – obwohl diese Personen «natürlich nicht von den Sanktionen betroffen sind», so Mettan.

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Übervorsichtige Banken?

Die UBS erklärte gegenüber AWP auf Anfrage, dass sie auf neue Geschäfte mit in Russland ansässigen Personen verzichte, während sie ihren «anderen russischen Kunden bei der Verringerung des Risikos in ihren Portfolios behilflich sei». Die Bank versicherte, «mit Sorgfalt und Einsatz zu arbeiten, um alle Anforderungen, insbesondere die Sanktionen, zu erfüllen und deren mögliche Folgen zu bewältigen».

Die Schweizerische Bankiervereinigung zeigte sich zurückhaltend und wies lediglich darauf hin, dass der Sektor «die geltenden Gesetze und Vorschriften» einhält und «die von schweizerischen, internationalen und supranationalen Instanzen verhängten Sanktionen» umsetzt.

Migros Bank und Postfinance frieren Konten ein

Besondere Empfehlungen an seine Mitglieder hat der Dachverband der Banken keine abgegeben. Er sieht sich auch nicht in der Lage, die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen von Schweizer Banken mit russischen Kunden zu kommentieren.

Mehrere von AWP befragte Personen aus der hiesigen russischen Gemeinschaft, die aber anonym bleiben wollten, berichten ebenfalls von gesperrten Konten und zeitweise unzugänglichen Konten ohne jegliche vorherige Information. Die Betroffenen hätten sich mit ihren Bankinstituten – in diesen Fällen Postfinance und Migros Bank – in Verbindung setzen und ihren Wohnsitz in der Schweiz nachweisen müssen.

Postfinance nahm dazu folgendermassen Stellung: Aus «geschäftspolitischen Gründen» seien alle Beziehungen mit Kunden, die ihren Wohnsitz auf russischem Territorium hätten, gekündigt worden. «Russische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz können ihr Konto dagegen behalten, wenn sie nicht Gegenstand von Sanktionen sind und einen gültigen Aufenthaltstitel vorlegen», erklärte der Finanzarm der Post.

Konto von Flüchtlingshelferin gesperrt

Die Migros Bank versicherte derweil, dass sie die Sanktionen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine vollständig umsetze. «Art und Umfang der entsprechenden Massnahmen ergeben sich aus den einschlägigen Bestimmungen», hiess es bei der Tochter des orangen Riesen. Wie AWP erfahren hat, beherbergt eine Kundin mit russischem Pass, deren Konto von der Bank vorsorglich gesperrt wurde, sogar drei ukrainische Flüchtlinge bei sich.

Eine andere Kundin berichtete, dass ein Konto für etwa 24 Stunden gesperrt worden sei – offenbar wegen der weissrussischen Staatsangehörigkeit ihres Mannes. Ihrer Meinung nach war es die Schweizer Staatsbürgerschaft als Zweitnationalität, «die uns gerettet hat».

Die Schweizer Banken stehen bei der Umsetzung der Sanktionen stark im internationalen Fadenkreuz. (SDA/smt)

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