In Zeiten von Wohnungsnot sind sie ein Schatz, der vermeintlich leicht zu heben wäre: leerstehende Büroflächen. Allerdings lässt sich nicht jedes Bürogebäude umnutzen. Die Hürden sind je nach Objekt und Standort vielfältig, der Weg vom Office zum Home ein weiter.
Klar ist: In Zeiten von Homeoffice sinkt der Bedarf an Büroflächen. Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS herrscht auch auf dem Finanzplatz ein Überangebot an Büroarbeitsplätzen. Zudem hat vor der Zinswende auch der Bürobau geboomt.
Die Folge: Den Vermietern von Büro- und Gewerbeimmobilien entgeht viel Geld, wenn sie die Büroflächen nicht vermieten können. Also steigt der finanzielle Druck, sich nach neuen Einnahmequellen umzuschauen – etwa durch die Umwandlung der Büros in Wohnraum.
Wohnungsnot in der Schweiz
Nicht jedes Büro geeignet
Gemäss «NZZ am Sonntag» schätzt das Beratungsunternehmen Wüest Partner den Anteil ungenutzter Bürofläche auf 6,7 Prozent des Gesamtbestandes. Macht ein Überangebot von rund vier Millionen Quadratmetern. Die Milchbüchleinrechnung ist schnell gemacht: Diese Fläche entspräche rund 45'000 Neubauwohnungen.
Allerdings schränkt Robert Weinert (45), Leiter Research bei Wüest Partner, ein: «Das Potenzial ist vorhanden, es gibt aber viele Hürden.» Zudem sei die Rechnung etwas gar schnell gemacht, da sich viele Flächen in Bürogebäuden nicht einfach so in Wohnraum verwandeln liessen. «Es braucht Platz für Bäder, WC und Küchen, Zugänge zu den Wohnungen oder oftmals zusätzliche Lifte», so Weinert. Zudem müssten für Wohnraum meist mehr Mauern hochgezogen werden, niemand möchte hinter Glaswänden oder anderen Raumteilern wie in Grossraumbüros üblich wohnen. «Nicht jedes Bürogebäude eignet sich von seinem Grundriss her zur Umnutzung in Wohnraum», ist Weinert überzeugt.
Ausserdem kostet ein Umbau viel Geld, mehr vielleicht als selbst ein langjähriger Leerstand. Zudem sind bei Büroflächen langjährige Mietverträge die Regel. Zieht ein Mieter aus, muss er unter Umständen noch lange weiter zahlen.
Lohnt sich an zentraler Lage
Trotzdem: Dort wo die Wohnungsnot am grössten ist, also in und um Städte wie Zürich, Basel oder Genf, könnte sich die Umnutzung durchaus lohnen – auch aus gesellschaftlicher Sicht. «Es ist absurd», sagt Immobilien-Experte Donato Scognamiglio (53). «In vielen Büros herrscht gähnende Leere, während mancherorts die Wohnungsknappheit gross ist.» Deshalb müsse jeder Eigentümer für sich die Rechnung machen. «Die Umwandlung rechnet sich an zentraler Lage», ist Scognamiglio überzeugt.
Also vielleicht bei den CS-Towern in Zürich-Oerlikon, wo die Bank schon länger beschlossen hat, auszuziehen. Oder am Balsberg in Kloten ZH, in ummittelbarer Nähe zum Flughafen. Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, steht am ehemaligen Hauptsitz der Swissair, dem «grössten Geschäftshaus der Schweiz», rund ein Drittel der Fläche leer. Insgesamt umfasst der Komplex rund 80'000 Quadratmeter – Platz für knapp 1000 Wohnungen. Scognamiglio: «Hier liesse sich durch Wohnen mit Service sehr attraktive Wohnungen für Geschäftsleute, Singles oder kinderlose Paare schaffen.» Und so vielleicht etwas Druck vom angespannten Zürcher Wohnungsmarkt nehmen.
Eine wichtige Hürde für die Umnutzung liegt in der Bau- und Zonenordnung. Nicht überall dort, wo Büro- oder Gewerbegebäude stehen, darf auch gewohnt werden. Dieses Problem hat der runde Tisch zur Wohnungsknappheit erkannt und eine Studie zur höheren Durchmischung von Arbeits- und Wohnzonen in Auftrag gegeben.