Martin Schlegel (47), designierter Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), ist nicht kein Mann aufsehenerregender Worte. Fragen zu seiner Person, seinem Führungs- und Kommunikationsstil ignorierte er bei seiner Präsentation letzten Mittwoch hartnäckig. Und auch als er auf die klimapolitische Verantwortung der SNB angesprochen wurde, flüchtete er sich in Allgemeinsätze: Der Klimawandel sei ein «extrem wichtiges Thema» für die gesamte Menschheit. «Wir analysieren die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Aufgabenerfüllung», sagte er. Etwa bei der Anlagepolitik. Aussagen mit moralischer Note vermied er gänzlich.
Doch nun stellt sich die Frage der ethischen Verantwortung der Schweizer Währungshüter trotzdem. So haben Recherchen des Westschweizer Radios und Fernsehens RTS ergeben, dass die SNB stark vom Krieg in Gaza profitiert hat. Demnach machte die Nationalbank mit Aktien einer israelischen Rüstungsfirma einen Gewinn. Die geschätzte Summe: eine Million Franken.
Von Aktienhöhenflug wegen Gaza-Krieg profitiert
Laut Bericht kaufte die SNB im ersten Quartal 2023 für 17,5 Millionen Dollar mehr als 104'000 Aktien des Unternehmens Elbit Systems LTD. Das an der US-Technologiebörse Nasdaq kotierte Rüstungsunternehmen mit Hauptsitz in Haifa gilt als wichtiger Lieferant des israelischen Militärs. Auch die Schweizer Armee gehört zu den Kunden von Elbit Systems. Die Nationalbank soll die Aktien zu einem Preis zwischen 165 und 175 Dollar pro Stück erworben haben.
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Für ihre Offensiven im Gaza-Streifen rüstete Israel seine Streitkräfte auf. Dank der Bestellungen begann die Aktie von Elbit Systems zu steigen – auf einen Spitzenwert von über 225 Dollar Anfang März. Um diesen Zeitpunkt herum veräusserte die SNB rund einen Viertel ihrer Elbit-Anteile. Wann genau, ist unklar. Die SNB gibt Aktienverkäufe lediglich vierteljährlich in einem Investitionsbericht bekannt – und wollte sich gegenüber RTS nicht zu einzelner Positionen in ihrem Portfolio äussern.
Bei «massiven Verstössen gegen Menschenrechte» ist bei SNB Schluss
In ihrer Stellungnahme strich die SNB heraus, dass sie sich nicht auf Aktienspekulationen beteilige. Ihre Strategie beschreibt die Notenbank im Bericht so: «Sie bildet die verschiedenen Aktienmärkte vollständig ab und gewichtet damit die verschiedenen Wirtschaftszweige entsprechend ihrer Börsenkapitalisierung.» Dadurch sei das Aktienportfolio den verschiedenen Risiken in etwa gleicher Weise ausgesetzt und widerspiegle auch die strukturellen Veränderungen der Weltwirtschaft.
Bezüglich ihrer ethischen Verantwortung betonte die SNB, dass sie keine Wertpapiere von Unternehmen kaufe, die massiv gegen grundlegende Menschenrechte verstossen. Zum konkreten Fall mit den Elbit-Aktien äusserte sich die Zentralbank nicht. Kritik gab es dafür von Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie an der Universität Freiburg: «Da sie die Körbe von Vermögenswerten nachbildet, die auf dem globalen Finanzmarkt verkauft werden, glaubt die SNB, dass sie sich nicht schuldig fühlen muss, wenn sie Aktien eines Unternehmens kauft, das Waffen produziert, die Umwelt verschmutzt oder Kinderarbeit ausbeutet», wird er im Bericht zitiert. Aus seiner Sicht sei das aber nicht mehr als eine Ausrede.