Die Nationalbank eilt der Exportindustrie zur Hilfe und senkt erneut den Leitzins. Damit haben bei weitem nicht alle gerechnet, Nationalbankpräsident Thomas Jordan (61) ist einmal mehr für eine kleine Überraschung gut, allerdings ist diese nicht mehr ganz so gross wie bei der Zinswende im März. Neu liegt der Leitzins in der Schweiz bei 1,25 Prozent. Das ist für viele eine gute Nachricht, aber nicht für alle.
Was bedeutet der Zinsentscheid für Eigenheimbesitzer?
Wer sein Haus oder seine Wohnung über den Geldmarkt finanziert, also Saron-Hypotheken abgeschlossen hat, der kann sich freuen. Ab morgen sind diese einen Viertelprozentpunkt billiger. Aber auch diejenigen, die bald eine Festhypothek ablösen müssen, sollten zumindest einen Gedanken an eine Saron-Hypothek verschwenden. Denn mit der erneuten Zinssenkung könnten diese Hypotheken wieder billiger werden als die festverzinsten – was in den letzten Jahren dem Normalzustand entsprochen hat. Festhypotheken dürften sich durch die aktuelle Zinssenkung kaum verbilligen, da bei den meisten Laufzeiten eine weitere Zinssenkung bereits eingepreist ist.
Zinsen und Inflation
Profitieren auch die Mieter?
Nein – oder zumindest nicht sofort. Der Referenzzinssatz für Wohnen, der massgeblich ist für die Mieten in der Schweiz, verharrte im Juni bei 1,75 Prozent. Der zugrundeliegende Durchschnittszins liegt im Moment bei 1,72 Prozent. Erst wenn dieser Satz auf unter 1,63 Prozent fällt, wird auch der Referenzzinssatz fallen.
Die Frage ist nun: Wie viele Immobilienbesitzer haben im Zuge der Zinswende von Fest- auf Saron-Hypotheken gewechselt, weil sie erst die weitere Zinsentwicklung abwarten wollten? Ist dieser Anteil gross genug, so steigen die Chancen, dass der Durchschnitt schneller fällt. Und deshalb im September oder spätestens Dezember, der Referenzzinssatz nach unten angepasst werden kann.
Pikant: Die Mieten sind im Moment für rund die Hälfte der Teuerung in der Schweiz verantwortlich. Eine Art Teufelskreis: Steigen die Mieten aufgrund der Zinsen oder anderer gestiegener Kosten, lässt das die Inflation ansteigen – was im Extremfall sogar eine Zinserhöhung nach sich ziehen könnte.
Was bedeutet die Zinssenkung für das Geld auf meinem Sparkonto?
Bestenfalls keine Veränderung. Die Banken haben die rasante Erhöhung der Leitzinsen seit Mitte 2022 nur sehr zögerlich an die Kunden weiter gegeben. Das heisst, es besteht kein unmittelbarer Bedarf, bei dieser Zinssenkung die Sparkonditionen anzupassen. Andererseits ist auf absehbare Zeit aber auch nicht mit steigenden Sparzinsen zu rechnen.
Was bedeutet die Zinssenkung für die Konsumenten?
Einen kleinen Dämpfer für alle, die ihre Sommerferien im Ausland geplant haben. Denn der Schweizer Franken hat sich nach der Zinssenkung sofort etwas abgeschwächt – so wie von der Nationalbank gewünscht. Ein etwas schwächerer Franken bedeutet einen leicht teureren Aufenthalt an den Stränden. Auch Einkaufstouristen müssen minim tiefer ins Portemonnaie greifen.
Andererseits zeigt die Zinssenkung, dass die SNB an einen weiteren Rückgang der Teuerung glaubt. Aber Achtung: Das heisst nicht, dass die Preise nun auf breiter Front fallen, sie steigen einfach nicht mehr so schnell.
Was hat die Wirtschaft von der Zinssenkung?
Das Aufatmen in der Exportindustrie dürfte deutlich hörbar gewesen sein. Ein schwächerer Franken nimmt etwas Druck von vielen Firmen, da ihre Produkte nun preislich wieder wettbewerbsfähiger sind. Ein wichtiges Signal in Zeiten einer nach wie vor verhaltenen Nachfrage nach Industriegütern in wichtigen Absatzmärkten.
Kommt nun die Zinspause?
Gut möglich, dass die Nationalbank den Leitzins jetzt mal für längere Zeit bei 1,25 Prozent belassen wird. Zu unsicher ist die Entwicklung in anderen wichtigen Währungsräumen. Erst wenn aus den USA und aus der Eurozone deutliche Anzeichen für weitere Zinssenkungen kommen, dürfte auch die SNB wieder nachziehen. Gut möglich also, dass es in diesem Jahr keine weitere Zinssenkung geben wird.
Andererseits: Thomas Jordan liebt Überraschungen. Vielleicht beschert er der Schweiz und ihrer Wirtschaft Ende September anlässlich seiner letzten Zinsentscheidung ein Abschiedsgeschenk. Aber natürlich nur, wenn er die monetären Bedingungen für angemessen hält.