Auf einen Blick
Eine Auster kommt hier selten allein. Ein Törtchen mit Wagyu und Tapioka und ein Macaron mit Foie gras, Orange und Garam Masala gibts dazu. Aus einem Schälchen leuchtet es grell grün: Carabinero, Jalapeño-Espuma. Amuse-Bouches nennt Peter Knogl die kleinen Dinger bescheiden. Es sind eher kleine Kunstwerke von verführerischer Leichtigkeit, Frische und Eleganz. Der Gang des Tages folgt sofort: Seeigel, Rosé-Champagner, Imperial-Kaviar, in perfekter Temperatur. Zum Niederknien gut.
Wir sitzen gemäss «La Liste» im «besten Restaurant der Welt», im «Les Trois Rois» Basel. Die drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar grüssen von der Hotelfassade. Der vierte König im Haus: Peter Knogl (56), gebürtiger Bayer mit Schweizer Pass, sympathisch, warmherzig und wunderbar stur zugleich, Gralshüter der klassisch-französischen Küche, kompromissloser Qualitätsfanatiker.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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King Knogls Konzept passt perfekt ins klassisch ausgerichtete Beuteschema der französischen «La Liste». Jüngere, wildere, experimentierfreudigere Chefs sind bei den «World’s 50 Best» besser aufgehoben.
Ganz nach oben schaffte es bisher erst einer aus der Schweiz: Benoît Violier vom «Hôtel de Ville» in Crissier VD, leider früh aus dem Leben geschieden. Bei den klassischen Gourmetguides hat Peter Knogl längst die Höchstnoten erreicht: 19 Punkte, seit 2015 im GaultMillau, ein Jahr später drei Sterne im «Guide Michelin».
Er kommt früh und geht als Letzter
Knogl ist im Swiss Deluxe Hotel, das gerade von Herzog & de Meuron grosszügig umgebaut wird, ein König der bescheidenen Art. Der eigenartig bemalte Rolls-Royce, der vor dem Haus steht, ist nicht sein Dienstfahrzeug. Der Chef kommt mit «Drämmli Nr. 6» früh zur Arbeit, geht um Mitternacht als Letzter raus. Daheim in Riehen liegen weder Hummer noch Kaviar im Kühlschrank. Knogl, Mieter hier seit 17 Jahren, hat andere Präferenzen: Wurstsalat mit Käse und Zwiebeln, «mindestens einmal pro Woche».
Partnerin Gwendolyn Knoch, seit Jahren geduldig an seiner Seite, kann damit leben. Sie kocht auch gern und unerschrocken für ihren berühmten Mann. Schnitzel, Nudeln, im Winter öfter mal Fondue. Nur in den Ferien gibt Peter Knogl Vollgas: Da gehts immer wieder nach San Sebastián zu Martín Berasategui («der Bacalhau meines Lebens»), nach Barcelona zu den Hermanos Torres. Auch mal nach Japan oder Taiwan. Weiterbilden, inspirieren lassen kann man sich auch noch mit 56.
Arbeitsbeginn im «Les Trois Rois» ist Punkt 8.30 Uhr. Der Chef ist als einer der Ersten in der schon fast dramatisch kleinen «Cheval Blanc»-Küche. Was dann abgeht, können «Trois Rois»-Gäste gebannt durch ein kleines Küchenfenster beobachten.
Mit Disziplin und Geschmacksharmonie
Sieben Köche, klassisch mit Torchon und weisser, hoher Toque unterwegs, wieseln um den Herd. Mittendrin der Boss. Er checkt persönlich, was seine Lieferanten am Morgen anliefern, und schickt gnadenlos zurück, was nicht seinen höchsten Ansprüchen genügt.
Und er taucht seinen goldenen Löffel in jede Sauce, die da vor sich her köchelt. «Saucenkönig» nennt man ihn in der Branche. Das verpflichtet. Einige seiner Saucen sind längst Kult: die Château Chalon etwa zu den Flusskrebsen aus dem Lac Léman. Oder die wuchtige und dennoch elegante Rouennaise zum Rehrücken aus der Steiermark. Drei, vier Tage Arbeit stecken in seinen Saucen. «Kochen heisst probieren, abschmecken, wahrnehmen.
Nur mit Geduld erhält man die Kraft.» Selbstdeklaration Knogl: «Die Kreativsten sind wir nicht. Aber wir haben Disziplin und die Geschmacksharmonie.» Der Boss probiert alles, was rausgeht zum Gast: jede Sauce, jedes Püree. «Ich probiere eigentlich den ganzen Tag hindurch.» Dick wird Daueresser Knogl dabei nicht. Sein kleines Geheimnis: die Abnehmspritze Ozempic! «Spritze ich mir jeden Freitag. Zwölf Kilo sind bereits weg.»
Im «Cheval Blanc» macht Peter Knogl die Mannschaftsaufstellung. Nicht nur am Herd, auch im Service. Die Sternzeichen müssen passen; Jungfrau, Krebs und Skorpion haben die besten Einstellungschancen. «Mit mir sind gerade vier Jungfrauen», freut sich der Maestro. Maître Giuseppe Giliberti und Sommelier Christoph Kokemoor sind die Stars im Team und Teil des Erfolgs. Bei Peter Knogl kriegen auch Mitarbeiter eine Chance, die die Sterneküche zuvor nicht einmal vom Hörensagen gekannt haben. Der Chef hat eben zwei Spüler befördert. Sultany Ahmad Naim, aus Afghanistan geflüchtet, ist zum Küchen-Koordinator aufgestiegen, Spüler John Wuol Koang trägt jetzt einen dunklen Anzug und serviert so elegant, dass ihn die Basler Stammgäste längst ins Herz geschlossen haben.
25. November, Quai d’Orsay 37 in Paris, Sitz des französischen Aussenministers. 400 Köche aus der ganzen Welt sind im Prunkpalast versammelt, um zu erfahren, ob sie es in die «La Liste» geschafft haben. Peter Knogl, im Anzug, mit Krawatte, ist nicht nur dabei, er steht ganz oben auf der Liste. «Das ist nicht schlecht für unsere kleine Bude», sagt der Bauernbub ganz cool. Gratuliert haben ihm viele, selbst die französischen Stars, die natürlich lieber einen der ihren ganz vorne gesehen hätten. Gefeiert wird nur kurz: Der TGV zurück nach Basel wartet. Am Tag danach steht Peter Knogl wieder am Herd, wie immer in den letzten 18 Jahren. Einer wie er fehlt nie bei der Arbeit.