Versicherungsexperte ist überzeugt
«Langfristig werden die Fahrzeugprämien sinken»

Auch autonome Autos brauchen eine Versicherung: Doch wer haftet künftig – der Halter oder der Hersteller? Viele Fragen sind noch offen, klar scheint einzig: Langfristig wird die Motorfahrzeugversicherung billiger.
Publiziert: 05.03.2021 um 10:24 Uhr
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Wie auf Schienen und ohne Feinstaub: Autonome Autos bringen was für die Umwelt und verändern den Markt für Motorfahrzeugversicherungen.
Foto: picture alliance / imageBROKER
Christian Kolbe

Noch gilt: Die Hände ans Lenkrad, den Blick auf die Strasse gerichtet, selbst wenn das Auto schon heute durchaus in der Lage wäre, selbständig auf der Autobahn durchs Schweizer Mittelland zu rollen.

Die Zukunft sieht noch viel entspannter aus: Das Auto denkt und lenkt von allein, der «Fahrer» von heute ist der Insasse von morgen, muss das autonome Fahrzeug nicht mehr selber kontrollieren. Doch was passiert, wenn es doch zu einem Unfall kommt? Wer haftet für den angerichteten Schaden?

Das wollte BLICK von zwei Experten wissen. Von Martin Eling (43), Professor am Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen, und von Daniel Meier (39), Leiter Mobilitätsversicherungen bei der Axa.

Weniger Unfälle, tiefere Prämien

Fakt ist: Es geht auch um viel Geld. Das gesamte Prämienvolumen in der Motorfahrzeugversicherung liegt bei knapp 6 Milliarden Franken, macht gut einen Fünftel des sogenannten Nicht-Lebens-Geschäfts im Versicherungsmarkt aus. Geld, das in Zukunft nicht mehr so üppig sprudeln wird.

«Die Motorfahrzeugversicherung ist heute bei vielen Anbietern der wichtigste Zweig im Nicht-Lebens- bzw. Sachversicherungs-Geschäft», erklärt Eling. «Da kommen grosse Umwälzungen auf die Branche zu», ist der Wissenschaftler überzeugt.

Sein Argument: «Dank den Assistenzsystemen sinken schon heute die Unfallzahlen, die Schäden gehen zurück. Langfristig werden die Prämien sinken.»

Meier von der Axa dämpft etwas die Erwartungen, denn trotz weniger Unfälle sinken die Kosten vorerst nicht. Er räumt zwar ein: «Es gibt heute weniger und weniger schwere Unfälle, auch dank der zahlreichen Assistenzsysteme. Aber die Reparaturkosten steigen, unter anderem gerade wegen dieser Systeme.»

Teure Hightech-Reparaturen

Ein Beispiel: Ist die Frontscheibe kaputt, muss nicht nur das Glas ersetzt, sondern auch all die Kameras müssen neu eingestellt oder gar ausgewechselt werden. Selbst ein simpler Glasschaden kann also schnell zur teuren Hightech-Reparatur werden.

Trotzdem sieht auch Meier die Branche auf einen fundamentalen Wandel zusteuern: «Heute kennt das Schweizer Gesetz die sogenannte Halterhaftung. Das könnte sich längerfristig Richtung Herstellerhaftung verändern.»

Das sieht auch der Professor so: «Haften sollte meiner Meinung nach der Technologieentwickler, also der Anbieter des Systems selbstfahrender Fahrzeuge.» Das allerdings hat Folgen für die Prämien, diese würden weiter sinken, glaubt Eling. Denn grosse Autobauer oder Flottenbetreiber dürften wohl einen grossen Mengenrabatt aushandeln können.

Cyber-Risiken drohen

«Die Autos der Zukunft sind fahrende Computer, die immer gleich reagieren – egal, ob es Montag oder Freitag ist, früh morgens oder spät abends», sagt Meier. Der Vorteil: Sie lassen sich durch die Vorfreude aufs Wochenende oder von den Strapazen eines langen Arbeitstags nicht ablenken.

Allerdings gibt es auch Nachteile: Ein Fehler in der Software kommt in allen damit ausgestatteten Fahrzeugen vor, kann weltweit den gleichen Unfall verursachen. Und wie jeder Computer können autonome Fahrzeuge zum Ziel eines Cyber-Angriffs werden. Alle Fahrzeuge eines bestimmten Typs geben gleichzeitig Gas respektive lassen den Elektromotor surren – eine beklemmende Vorstellung!


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