Basel, Ecke Neubadstrasse/Laupenring, Basel. Versprayte Garagenboxen, eine kahle Brandschutzmauer, Tristesse. Manche benutzen gar das Wort «Schandfleck» für diese Ecke. Dort hätte ein modernes Mehrfamilienhaus mit 15 Wohnungen entstehen sollen, doch die Basler Stadtbildkommission machte dem Bauherrn einen Strich durch die Rechnung.
Gegenüber steht die Allerheiligenkirche von Hermann Baur, die im Denkmalverzeichnis eingetragen ist. Die Stadtbildkommission argumentierte, dass die städtebauliche Bedeutung der Allerheiligenkirche durch den Neubau geschwächt und entfremdet würde. Der Bauherr staunte nicht schlecht über diese Begründung, da er genau diesen Punkt mit der Kantonalen Denkmalpflege abgeklärt hatte. Schlussendlich hatte diese das Bauprojekt durchgewinkt.
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Verrückte Welt. Wer sich in Basel umhört, den beschleicht das Gefühl, dass alles aus den Fugen geraten ist. Der Bauherr dieses Projekts, Alfio Frisina, Architekt und Mitinhaber mehrerer Investorengruppen, hat die Nase voll. «Unter vorliegenden Bedingungen werden wir keinen Franken mehr in Basel investieren», sagt er. Unlängst hat er sich mit 25 anderen Bauherren, Architektinnen und Investoren zusammengetan und den Verein Stadt-Bild-Basel gegründet. Dieser will politische Vorstösse machen, um die aktuell untragbare Situation in Basel, wie er sagt, zu verändern.
Mietzinswächter, Wohnschutzgesetz, Behördenwillkür
Ein rigides Wohnschutzgesetz, bevormundende Mietzinswächter, Behördenwillkür. Diese Worte hört man auffallend oft in Basel. Der Paukenschlag kam 2021. Zum Erstaunen aller wurde die Volksabstimmung zum Wohnschutzgesetz mit 53 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Angst war umgegangen in der Bevölkerung. In der lokalen Presse waren mehrere Projekte mit zahlreichen Leerwohnungskündigungen (ausgerechnet) durch Zürcher Institutionelle bekanntgeworden.
Seither gilt: Will eine Vermieterin bauliche Massnahmen an ihrer Liegenschaft ausführen, hat sie vorgängig ein Prüf- und Bewilligungsverfahren zu durchlaufen. Zudem schreibt die örtliche Wohnschutzkommission die Höhe der maximalen Mietzinsaufschläge für fünf Jahre vor.
Und diese sind recht dürftig, wie die jüngst aufgeschalteten Informationen auf der Website Wohnraumschutz.bs zeigen. Darunter das Beispiel der Renovation einer Dreizimmerwohnung für rund 77’000 Franken. Es gibt eine neue Küche, ein neues Badezimmer, neue Böden, und die Wände werden gestrichen. Die Mietzinswächter erlauben dafür einen maximalen Aufschlag von 69 Franken monatlich. Für eine Küchen- und eine Badsanierung in einer kleinen Wohnung darf die Miete um 18 Franken im Monat erhöht werden.
Wohnungsrenovationen werden auf Eis gelegt
Jetzt reichts, sagte man sich bei der Baloise. Die Versicherungsgesellschaft ist mit über tausend Wohnungen eine der grössten Vermieterinnen in Basel-Stadt. «Wir haben die geplanten Renovationsprojekte in Basel-Stadt auf Eis gelegt», sagt Andreas Georg Müller, Pressesprecher der Baloise, auf Anfrage. Aufgrund des Basler Wohnschutzes lasse sich nur noch eine Rendite von rund 1 Prozent erzielen, was deutlich zu tief sei. Das Geld der Versicherten der Baloise indes fliesst woanders hin. «Wir investieren in Kantonen, wo es möglich ist, eine moderate Rendite von 2 bis 4 Prozent zu erzielen.»
Ähnlich sieht es bei der Immobiliengesellschaft Allreal aus: Diese wollte in mehreren sanierungsbedürftigen Wohnblöcken die Ölheizungen austauschen und entsprechend den eigenen, übergesetzlichen Nachhaltigkeitsanforderungen sanieren. Am Ende entschied man, die Wohnblöcke lieber zu verkaufen. Selbst bei der Basler Regierung ist man unzufrieden. SP-Finanzdirektorin Tanja Soland, für die Liegenschaften in Kantonsbesitz verantwortlich, verkündete kürzlich an den Basler Investorengesprächen, dass sich der Kanton überlege, ob man Sanierungen künftig hinauszögern werde.
Kein Wunder, geht die Zahl der Sanierungen indes drastisch zurück. Man beobachte 80 Prozent weniger Sanierungsanfragen, sagte die Basler Kantonalbank (BKB) gegenüber der «Basler Zeitung». Darunter leiden die Baubranche und das Gewerbe. «Die Situation ist dramatisch», sagt Theodor Häner, Geschäftsführer des Baumeisterverbands Region Basel, dem 105 Unternehmen angehören.
Oscar Elias, CEO der Stamm Bau mit 400 Mitarbeitenden, doppelt nach: «Die Aufträge für Sanierungen von Mehrfamilienhäusern in Basel sind vollkommen eingebrochen.» Diverse Unternehmen wie Maler oder Bodenleger mussten bereits Kurzarbeit einführen.
Genf als schlechtes Vorbild
Vorbild der Basler Initiativen war der Genfer Mieterschutz. Diesen gibt es seit 1983. «Die Initianten in Basel versprachen, man wolle aus den Fehlern, die man in Genf gemacht habe, lernen», sagt Andreas Zappalà, Geschäftsführer des HEV Basel. «Stattdessen ist ein viel schärferes Gesetz mit mehr negativen Nebenwirkungen entstanden.»
Dabei ist das Resultat nach vierzig Jahren Genfer Mieterschutz alles andere als rosig: Der Anteil der renovierten Wohngebäude im Westschweizer Kanton ist deutlich kleiner als andernorts. Zudem sind die Mieten seit der Einführung des Gesetzes trotz der Regulierung stark gestiegen, denn nach der fünfjährigen Mietzinskontrolle schlagen die Vermieter umso mehr auf, um die regulierten Jahre nachzuholen.
Über all dem schwebt ein weiteres Damoklesschwert. Im Sommer 2020 wurde die Initiative «Basel baut Zukunft» eingereicht. Diese verlangt, dass mindestens 50 Prozent der Wohnungen, die in ehemaligen Industriezonen entstehen, gemeinnützig sein müssen. «Dieser Vorschlag ist der Killer jedes Businessplans», sagt Martin Dätwyler, Direktor der Handelskammer beider Basel, der regelmässig Gespräche mit Immobilieninvestoren initiiert. «Sollte der Vorschlag bei der Volksabstimmung im Herbst durchkommen, wären zahlreiche Projekte in Gefahr.»
Im grossen Stil betroffen wäre der Lebensversicherer Swiss Life, der – zusammen mit anderen – in ein riesiges Umnutzungsprojekt im Norden der Stadt investieren will. Dort, im Klybeck-Quartier, soll auf dem früheren Areal von Ciba, Novartis und BASF ein neues Wohnquartier entstehen. Gegenüber der «Handelszeitung» hat Swiss Life bereits früh klargemacht, dass man auf Wohnungsbau verzichten werde, falls «Basel baut Zukunft» durchkomme.
Bald könnte Zürich folgen – dank Befürworterin Badran
Zuerst Genf. Dann Basel. Schlussendlich die ganze Schweiz? Die Zeichen stehen dafür. Im Februar kam im Kanton Zürich die «kantonale Wohnschutzinitiative» mit 20’000 Unterschriften zustande. Sie fordert ein kantonales Vorkaufsrecht, 50 Prozent gemeinnützige Wohnungen sowie die Begrenzung der Mieten nach Sanierungen.
Die Parolen des Mieterinnen- und Mieterverbands und der SP, allen voran SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, hatten überzeugt. Sie wetterte gegen die Immobilienkonzerne, die das Doppelte verlangen könnten, wenn sie Mietende rauswerfen und die Wohnungen luxussanieren. In ein bis zwei Jahren dürfte die Volksabstimmung dazu stattfinden.
«Besonders in den grossen Städten und Stadtkantonen stehen die Chancen gut, dass solche Forderungen durchkommen», sagt Ivo Cathomen, stellvertretender Geschäftsführer des Svit Schweiz. «In ländlichen Gegenden und mittleren Städten wäre es eher schwierig, da dort der Mietwohnungsmarkt viel entspannter ist. Basel war der Testlauf. Und da man auf Bundesebene mit mehr Regulierung nicht durchkommt, versucht man es nun via Kantone und Städte.»
Dabei zeigt das Basler Modell nach zwei Jahren, dass es ganz viele Verlierer gibt: Die Mieterinnen und Mieter finden keine Wohnungen, die ihren heutigen Bedürfnissen entsprechen. Energetische Sanierungen entfallen. Damit werden die Netto-null-Ziele der Kantone und des Bundes nicht erreicht. Und die Bauwirtschaft leidet, da Aufträge in Millionenhöhe ausbleiben.