Der Regen lässt die Schweiz nicht in Ruhe. Immer wieder kommt es zu neuen Murgängen und Hochwasser. Häuser sind eingestürzt, Keller überflutet, Hotels bleiben zu und Industriebetriebe können nicht weiterarbeiten. Die Verwüstungen im Tessin und im Wallis sind riesig – und so akut, dass sich das Ausmass noch nicht in Zahlen aufzeigen lässt.
Zum aktuellen Zeitpunkt ist es nicht möglich, eine verlässliche Schätzung zur gesamthaften Schadensumme zu machen, teilt der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) auf Blick-Anfrage mit. «Die Versicherer sind momentan damit beschäftigt, die betroffenen Personen in ihrer Situation zu unterstützen und die Schäden aufzunehmen. Da gewisse Schäden noch immer nicht zugänglich sind und nicht gemeldet werden können, gehen wir davon aus, dass eine erste Übersicht erst Mitte nächster Woche möglich ist.»
Bei Elementarschäden herrscht Solidarität
Klar ist aber: Die Versicherer müssen sich auf Riesenschäden einstellen. Auf der anderen Seite stehen die vielen betroffenen Menschen, deren Häuser und Besitz teilweise oder ganz zerstört sind. Müssen diese mit steigenden Versicherungsprämien rechnen?
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Für die Antwort auf diese Frage braucht es zuerst etwas Hintergrund. Schäden durch Hochwasser, Erdrutsche oder Starkregen gelten als sogenannte Elementarschäden. Gedeckt sind diese Schäden durch die Elementarschadenversicherung, die beispielsweise Teil der Hausrat- oder der Gebäudeversicherung ist – je nachdem, ob das eigene Hab und Gut oder das Haus betroffen ist. Die Prämie für die Elementarversicherung ist in der Schweiz gesetzlich geregelt und unterliegt dem Solidaritätsprinzip.
Konkret: Die Finanzmarktaufsicht (Finma) legt für die Privatversicherer schweizweit einheitliche Prämien fest. Alle Versicherten zahlen also die gleich hohe Prämie, unabhängig vom Wohnort. Bei der Hausratversicherung liegt die Prämie aktuell bei 21 Rappen pro 1000 Franken Versicherungssumme. Ein Haushalt mit einer Versicherungssumme von 100'000 Franken zahlt also 21 Franken. Und das wird wohl so bleiben. Für die Prämienberechnung berücksichtigt die Finma nämlich die Schadenszahlen über mehrere Jahrzehnte. Entsprechend führe eine Serie von Ereignissen nicht sofort zu einer Prämienanpassung, wie der SVV anmerkt. «Auch die kürzlichen Unwetter im Tessin und im Wallis werden daher voraussichtlich nichts an den Prämiensätzen ändern.»
Die Preise von Hausratversicherungen sind gestiegen
Die Hausrat- und Gebäudeversicherungen decken jedoch auch Schäden, die nicht gesetzlich geregelt sind. Deren Prämien sind dem freien Wettbewerb ausgesetzt. Hier bestimmen die Versicherer die Höhe also selbst. Daraus ergibt sich für den versicherten Kunden in der Regel eine zusammengesetzte Gesamtprämie.
Deshalb sind diese Versicherungen auch unterschiedlich teuer. Grundsätzlich gilt: Die Prämien für die Hausrat- und die Gebäudeversicherung sind seit Jahren stabil und bewegen sich wenig, wie Stefan Thurnherr vom Versicherungszentrum mitteilt. Aus Daten der Vergleichsplattform «FinanceScout24» geht jedoch hervor, dass der Durchschnittspreis der angebotenen Hausratversicherungen in den letzten zwölf Monaten um über 10 Prozent angestiegen sind. Seit Anfang Jahr liegt die durchschnittliche Prämie bei ungefähr 300 Franken.
Dieser Anstieg liegt aber nicht etwa an gierigen Versicherungen, die ihre Tarife erhöht haben. «In den vergangenen Jahren hat sich die Prämie primär wegen der Indexierung (Teuerung) der Versicherungswerte angepasst», erklärt Thurnherr. Sprich: Die Inflation hat die Besitztümer der Schweizer teurer und damit auch wertvoller gemacht. Entsprechend mussten die Versicherer ihre Versicherungssummen anpassen, damit der Hausrat nicht unterversichert ist.
Klimawandel beschäftigt die Versicherer
Für die Bürger ändert sich bezüglich der Versicherungsprämien zumindest mittelfristig also wenig. Und doch bleiben die Unwetter in der Versicherungsbranche eines der heissesten Themen. Denn die daraus entstehenden Schäden werden in Zukunft zunehmen – wegen des Klimawandels. Mit der Frage, wie sich der Klimawandel auf Naturgefahren und Schadensereignisse auswirkt, beschäftigt sich etwa die Mobiliar, die in der Schweiz rund jeden dritten Haushalt versichert.
Sie hat zusammen mit der Uni Bern das Mobiliar Lab für Naturrisiken gegründet. Dieses hat ein Tool entwickelt, das erstmals aufzeigt, wie sich die Klimaveränderung in der Schweiz auf Hochwasserschäden auswirkt. Die Haupterkenntnis: Fachleute gehen davon aus, dass künftig 10 bis 20 Prozent mehr Wasser aus den hiesigen Flüssen und Seen abfliessen wird. Ein Mehrabfluss von 10 Prozent lässt die Schäden an Gebäuden um 40 Prozent klettern. Bei 20 Prozent mehr Wasser steigen die Schäden gar um 80 Prozent.
Es gibt auch Anzeichen, dass Wetterextreme bereits zugenommen haben. So zeigen Zahlen der Axa eine Häufung der Unwetterschäden über die letzten drei Jahre. Von einem Trend will die Versicherung aus Winterthur noch nicht sprechen. Dafür sei der Zeitraum noch zu gering. Aber: «Gewitter treten heute kurzfristiger auf als früher und ihre Intensität hat zugenommen», schreibt die Axa in ihrer Unwetterstatistik. Welche Folgen das haben kann, mussten die Menschen im Tessin und im Wallis in den letzten Tagen leidvoll erfahren.