Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bittet Staatsanwälte, von einer Bestrafung abzusehen, wenn Corona-Kredit-Betrüger Einsicht zeigen und das Geld rasch zurückzahlen. So steht es in einem Brief, der im Juli verschickt wurde. Die Zeitungen von Tamedia berichten heute darüber.
Das Schreiben trägt die Signatur von Martin Godel. Er ist Leiter der KMU-Politik in der Direktion für Standortförderung. Godel wirbt in diesem brisanten Brief für Milde im Umgang mit Betrügern, sofern die zu Unrecht erhaltenen Gelder umgehend wieder zurückfliessen.
«Gibt es keine Geschädigten, zeigt ein Täter Einsicht und erstattet die unrechtmässig erhaltene Summe umgehend zurück, kann der Staat von einer Bestrafung absehen», so Godel.
Fehler ohne Folgen
Ein Beispiel: Ein Kreditnehmer gibt den Umsatz mit 600'000 Franken an und erhält so einen Kredit von 60'000 Franken. Die Nachprüfung zeigt aber, dass der Umsatz bei nur 500'000 Franken liegt. Zugestanden wäre dem Unternehmer damit maximal ein Kredit von 50'000 Franken. Der Kreditnehmer zeigt sofort Einsicht und bezahlt die 10'000 Franken zu viel umgehend zurück.
Derartige Fälle will der Bund ohne Strafe abhandeln. Als Begründung für das Vorgehen gilt die hektische Zeit, die damals von März bis Mai während des Lockdowns herrschte. Da trat manchem Unternehmer der kalte Schweiss auf die Stirn.
Ein Fehler bei der Berechnung der erwarteten Kreditlimite könne rasch passieren, sagt Godel. Merke ein Unternehmer nun mit der nötigen Distanz, dass er falsch gehandelt habe, und verursache den Steuerzahlern keinerlei Schaden, solle von einer Strafverfolgung abgesehen werden.
Widerstand aus Zürich
Denn auch eine Strafverfolgung koste den Steuerzahler Geld, so Godel. Sie benötigt Personal. Dieses soll sich auf die Fälle mit krimineller Energie fokussieren und sie konsequent verfolgen, so der Seco-Kadermann.
Bei den Staatsanwaltschaften des Landes kommt die Forderung aber nicht gut an. Die Zürcher Staatsanwaltschaft sagt auf Anfrage von BLICK, dass sie das Anliegen des Seco «zur Kenntnis genommen» habe. «Wer eine nationale Notlage und die Hilfsbereitschaft des Bundes gezielt ausnutzt», so ein Sprecher, «und eine unbürokratische Soforthilfe missbraucht, der ist strafrechtlich konsequent zu verfolgen und zu bestrafen.» Das Gesetz sehe aber vor, dass eine Wiedergutmachung bei der Strafzumessung «gebührend» berücksichtigt werde.
In Zürich wird aktuell in 76 Fällen wegen eines Betrugsverdachts in Zusammenhang mit den Corona-Krediten ermittelt. Die mutmassliche Deliktsumme: 16,9 Millionen Franken. Der Kanton gehört damit zu den Spitzenreitern – zusammen mit dem Kanton Waadt.
Auch in der Waadt wird der Erhalt des Seco-Schreibens bestätigt. «Die gerichtliche Umsetzung von Strafbestimmungen», sagt der Staatsanwalt Anton Rüsch, « fällt nicht in die Zuständigkeit des SECO, da die Waadtländer Staatsanwaltschaft wie andere Staatsanwaltschaften in der Schweiz völlig unabhängig ist.» (ise)