«Ein Schluck kann töten!» So warnt die US-Umweltbehörde vor dem Pestizid Paraquat. Der toxische Unkrautvernichter, den der Agrochemie-Riese Syngenta unter dem Namen Gramoxone in rund 100 Länder vertreibt, ist in der Schweiz und der EU verboten. Die durch das Pestizid verursachten Todesfälle sollen in die Zehntausende gehen.
Der ehemalige Syngenta-Chemiker Jon Heylings (65) wies intern schon vor Jahrzehnten auf die Risiken des Pestizids hin. Seinen bisher vergeblichen Kampf schilderte der Toxikologe, der zwischen 1986 und 2007 für die Produktsicherheit von Paraquat zuständig war, gestern Abend in der «Rundschau». Dem SRF-Magazin liegen interne, von der Nichtregierungsorganisation Public Eye ausgewertete Dokumente vor. Diese zeigen, wie Syngenta bei Paraquat den Profit vor die Produktsicherheit gestellt und damit Tausende von Todesfällen in Kauf genommen hat.
Interne Kritik wurde ignoriert
Für den Konzern aus Basel zählt das seit 1962 hergestellte Unkrautgift zu den Kassenschlagern. Heylings kritisiert wie schon vor 30 Jahren, dass die den Paraquat-Produkten aus Sicherheitsgründen beigemischte Dosis an Brechmitteln unwirksam sei. Rasches Erbrechen soll vor dem Vergiftungstod retten. Damit nach der Einnahme einer tödlichen Dosis das Erbrechen schnell genug ausgelöst werde, müsse die Menge stark erhöht werden.
Als junger Forscher habe er seine Vorgesetzten darüber informiert, dass sich Syngenta bei der Dosierung auf einen internen Bericht berufe, der manipuliert worden sei. Doch auch 30 Jahre später habe Syngenta an der Konzentration nichts geändert. In Entwicklungsländern, aber auch in den USA kommt es durch versehentliche Einnahme regelmässig zu Todesfällen. Verbreitet sind zudem Suizide durch absichtliche Einnahme, zumeist von verzweifelten Bauern. Das Risiko verdeutlicht Südkorea: Nach dem Paraquat-Verbot 2011 gingen die Suizide um bis zu 40 Prozent zurück.
Syngenta weist Vorwürfe zurück
Der Agromulti aus Basel entgegnet: «Dass Syngenta Todesfälle mit Paraquat in Kauf nimmt, entbehrt jeglicher Grundlage, und wir weisen diese Behauptung in aller Entschiedenheit zurück.» Die Produktsicherheit stehe immer an erster Stelle. Syngenta habe seit der Einführung Hunderte von Millionen Dollar in die Sicherheit von Paraquat investiert.
Die derzeitigen klinischen Erkenntnisse rechtfertigten zudem keine Erhöhung der beigefügten Menge des Brechmittels. Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation unterstützen Heylings' Standpunkt nicht.
Um Syngenta ist es in der Schweiz seit der Übernahme 2015 durch ein chinesisches Chemieunternehmen ruhiger geworden. Allerdings wendet der Konzern derzeit Millionen auf, um mit der Lobbygruppe Swiss Food die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative zu bekämpfen.
Dass Heylings seine Kritik gerade jetzt publik macht, hat mit einem Prozess von Landwirten gegen Syngenta nächsten Monat in den USA zu tun. Sie machen Paraquat für ihre Parkinson-Erkrankung verantwortlich. Der Brite, der seit Jahren Professor für Toxikologie an der Keele University ist, wird in diesem Rahmen aussagen. Public Eye und das britische Investigativbüro von Greenpeace Unearthed haben während Monaten Hunderte von Dokumenten gesichtet, die Syngenta im Rahmen dieses Rechtsstreits offenlegen musste.