Mit dem Klingeln des Weckers beginnt die Morgenroutine: aufstehen, duschen, frühstücken und dann ab ins Auto oder auf den Zug – die Arbeit ruft.
Heute sollte das anders aussehen. Der Bundesrat hat Mitte Januar im Kampf gegen die zweite Corona-Welle eine Homeoffice-Pflicht eingeführt. Wo immer möglich, müssen die Unternehmen anordnen, dass ihre Angestellten von zu Hause aus arbeiten. Für den Alltag bedeutet dies Flexibilität: In den eigenen vier Wänden kann das erste Meeting gut und gerne auch vor dem Zähneputzen wahrgenommen werden. Das Frühstück im Kühlschrank bleibt sowieso griffbereit.
Doch die Realität sieht anders aus: Viele Schweizer müssen zum Arbeitsplatz pendeln, weil die Homeoffice-Pflicht kaum eingehalten wird. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage vom Vergleichsdienst Comparis.
So viele sind derzeit im Homeoffice
Konkret arbeitet zurzeit die Hälfte aller Erwerbstätigen mehr als einen halben Tag pro Woche zu Hause. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 sind das lediglich neun Prozentpunkte mehr. «Einen nachhaltigen Homeoffice-Boom sehe ich deshalb nicht», sagt Comparis-Immobilienexperte Frédéric Papp.
Die Comparis-Zahlen decken sich mit dem Mobilitäts-Monitoring. Dieses zeigt, dass Herr und Frau Schweizer während der zweiten Welle deutlich mehr unterwegs sind als noch im vergangenen Frühling – trotz Homeoffice-Pflicht!
Bildungs- und Gendergraben
In Sachen Heimarbeit besteht auch ein klarer Bildungsgraben. Menschen mit einer höheren Bildung arbeiten eher die ganze Woche daheim. Jeder Vierte von ihnen verbringt 90 bis 100 Prozent im Homeoffice. Bei den Personen mit tieferem Bildungsstand ist es lediglich jeder Zehnte.
Und selbst beim Homeoffice gibt es einen Gendergap. Frauen sind deutlich häufiger im Büro anzutreffen als Männer. Nur 40 Prozent der weiblichen Angestellten arbeiten derzeit mehr als einen halben Tag in den eigenen vier Wänden. Bei ihren Kollegen sind es 52 Prozent.
Leiden im Homeoffice nehmen zu
Auch die Stimmung hat etwas gedreht: Im vergangenen Frühjahr haben sich viele Schweizer noch über das neue Arbeitsleben im Homeoffice gefreut. Doch mittlerweile häufen sich laut dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) die Probleme.
Es gebe zwar kaum repräsentative Untersuchungen zum Thema, aber gerade Büroangestellte würden vermehrt unter einer ungenügenden Arbeitsorganisation und langweiligen Leerzeiten leiden, schreibt SGB-Chefökonom Daniel Lampart (52). Wer neu in der Corona-Zeit eine Stelle angetreten habe, fühle sich oft etwas alleine. Es fehle der physische Kontakt, um die Kollegen und den Betrieb besser kennenzulernen.
Ist man im Homeoffice weniger produktiv?
Über die Produktivität im Homeoffice gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Einige Untersuchungen wollten zwar aufzeigen, dass man in den eigenen vier Wänden mehr leisten kann. Aber eine aktuelle Studie aus Japan kommt nun zu einem bedenklichen Befund. Wer zu Hause arbeitet, ist demnach fast ein Drittel weniger produktiv als im Büro.
Der Glanz des Homeoffice verblasst, der Boom ist nicht wie erwartet eingetreten. Die altbekannte Morgenroutine bleibt uns wohl oder übel erhalten. Corona und Homeoffice-Pflicht hin oder her.