Umfrage zeigt: Altersvorsorge nicht mehr erste Priorität
Schweizer Sparer legen vermehrt Notreserve an

Viele sehen schwarz für die wirtschaftliche Zukunft des Landes – und für ihre eigene. Das zeigt eine Spar-Umfrage der Migros Bank. Einen Notbatzen zurückzulegen wird für Schweizerinnen und Schweizer immer wichtiger.
Publiziert: 07.01.2024 um 01:06 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2024 um 09:57 Uhr
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Manuel Kunzelmann, CEO der Migros Bank, sagt: «Die Menschen wappnen sich mit einem Notgroschen für ein unsicheres Umfeld.»
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Lino SchaerenRedaktor

In klammen Zeiten hätte man gern einen Notbatzen, um für unvorhergesehene Ausgaben gerüstet zu sein. 2023 wurde diese finanzielle Reserve für Schweizerinnen und Schweizer zum wichtigsten Sparziel – noch vor der Altersvorsorge.

Das geht aus einer repräsentativen Umfrage zum Thema «Sparen und Anlegen» hervor, die das Marktforschungsinstitut Intervista im Auftrag der Migros Bank durchgeführt hat. Die Ergebnisse liegen Blick exklusiv vor. Als drittwichtigster Grund, Geld zurückzulegen, folgt wie bei der letzten Befragung 2021 die Bildung von Wohneigentum.

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«Sparen ist für die Bevölkerung wichtiger denn je»
Manuel Kunzelmann, CEO Migros Bank
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In Bezug aufs Sparen ist der Zeithorizont deutlich kürzer geworden. Priorität hat, dass die Rücklagen angesichts steigender Kosten und globaler Unsicherheiten schnell verfügbar sind. Das zeigt sich auch daran, dass Sparkonten in Schweizer Haushalten wichtiger geworden sind. Risikoreiche Investitionen – etwa in Kryptowährungen wie Bitcoin – haben ungeachtet ihres aktuellen Höhenflugs deutlich an Attraktivität verloren.

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Die zunehmende Bedeutung des Finanzpolsters zeigt, dass sich viele Menschen Sorgen über ihre Zukunft machen. Schweizerinnen und Schweizer schätzen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zunehmend pessimistisch ein. Sahen 2019 noch 29 Prozent eher schwarz für die Ökonomie, waren es im Herbst 2023 bereits 39 Prozent. Und 27 Prozent geben an, dass sich ihre finanzielle Situation in den letzten zwei Jahren verschlechtert hat. «Sparen ist für die Bevölkerung wichtiger denn je. Die Menschen wappnen sich mit einem Notgroschen für ein unsicheres Umfeld», sagt Manuel Kunzelmann (49), CEO der Migros Bank.

«Sparen ist elementar»

Tatsächlich geben trotz des steigenden Kostendrucks sechs von sieben Befragte an, regelmässig etwas zur Seite zu legen. Kunzelmann: «Die Schweiz ist ein Volk von Sparerinnen und Sparern.» Bei gut 60 Prozent derer, die etwas beiseitelegen, geht es gemäss Umfrage maximal um monatlich 1000 Franken. Den grössten Anteil, 27 Prozent, machen Beiträge von 100 bis 500 Franken aus. Ob aufgrund des Kostendrucks generell weniger gespart werden kann, beantwortet die Umfrage nicht abschliessend. Man stelle aber fest, dass vermehrt auch kleinere Beträge bis 100 Franken eingezahlt würden, sagt Kunzelmann.

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«Die Leute sollten den Zahnarzt nicht auf Kredit bezahlen»
Pascal Pfister, Chef der Schweizer Schuldenberatung
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Pascal Pfister (47), Geschäftsführer Schuldenberatung Schweiz, geht davon aus, dass Schweizerinnen und Schweizer zuletzt weniger sparen konnten. Dass trotz Kostendruck nach wie vor sechs von sieben Befragten angeben, regelmässig Geld zur Seite zu legen, sieht er nicht ganz so positiv wie der Bankenchef: «Wenn bei jeder siebten Person die Einnahmen gerade so für die monatlichen Ausgaben reichen, ist das kein gutes Zeichen.» Pfister weiter: «Sparen für den Fall von unerwarteten Ausgaben ist elementar, die Leute sollten ihre Zahnarztrechnungen oder Franchisen nicht auf Kredit bezahlen müssen.»

Dabei sind sogenannte Konsumkredite in der Schweiz weit verbreitet: Allein 2022 wurden gut 125'000 solcher Kredite mit einer Gesamtsumme von mehr als 4,5 Milliarden Franken vergeben, wie SRF diese Woche berichtete. Da die Zinsen auf derlei frei verwendbare Konsumkredite derzeit bei rund acht Prozent liegen, fallen für die Schuldner entsprechend hohe Zusatzkosten an.

Pfister rechnet damit, dass sich in den kommenden Jahren aufgrund der hohen Lebenskosten noch mehr Menschen verschulden werden. «Gut ist, dass derzeit die Arbeitslosigkeit tief ist. Sonst wäre das Schuldenrisiko noch bedeutend grösser», so der Geschäftsführer von Schuldenberatung Schweiz.

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Sichtbar wird der finanzielle Druck auf die Bevölkerung bei der Budgetberatung Schweiz. Die Anfragen für persönliche Beratungen hätten stark zugenommen, sagt Geschäftsführer Philipp Frei. Die Kapazitäten der Beratungsteams seien längst erreicht, man müsse lange Wartelisten führen.

Der Gürtel wird enger geschnallt

«Die Anfragen werden emotionaler, weil viele nichts dafür können, wenn sie in finanzielle Schieflage geraten: Das Ausgabeverhalten ist dasselbe, aber weil die Preise steigen, bleibt weniger im Portemonnaie», sagt Frei. Die menschlichen Schicksale, die hinter den Beratungsanfragen erkennbar werden, gehen den Beratungsteams nahe: «Wir erleben verzweifelte Menschen, die das Geburtstagsfest für die Tochter oder die Miete nicht mehr bezahlen können.»

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«Die Anfragen für Beratungen haben stark zugenommen»
Philipp Frei, Geschäftsführer der Budgetberatung
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Laut Frei konsultierten die Budgetberatung aber nicht nur Geringverdienende, die in Not geraten. Vor allem das Onlineangebot mit Budgetrechner, so zeigt die Statistik der Abfragen, werde immer stärker vom Mittelstand genutzt. «Auch für Menschen mit gutem Lohn braucht es inzwischen Optimierungen, damit Ende Monat eine Reserve übrig bleibt», so Frei. Die Sensibilität für einen bewussten Umgang mit den vorhandenen Mitteln nehme in seiner Wahrnehmung allgemein zu.

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Das beobachtet auch der CEO der Migros Bank. «Gerade, wenn die allgemeine Lage unsicher scheint, gehen wir noch haushälterischer mit unseren Finanzen um.»

So sei es auch nachvollziehbar, dass die Umfrage zeige, dass Sparen nach wie vor als wichtig erachtet werde. «Die Schweizerinnen und Schweizer sind dafür bereit, bei ihren Konsumausgaben den Gürtel enger zu schnallen», sagt Kunzelmann.

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