Ultralinks setzt sich durch
Bern liebäugelt mit einem Mietpreisdeckel

Zuerst Genf, dann Basel, jetzt Bern. Werden alle Massnahmen umgesetzt, fallen bald über 50 Prozent der Mietwohnungen unter eine Regulierung. Die «Handelszeitung» hat die Details, was das genau bedeutet.
Publiziert: 09.12.2024 um 12:53 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2024 um 13:05 Uhr
In der Stadt Bern wurde eine Motion der Ultralinken angenommen.
Foto: imago images/imagebroker

Auf einen Blick

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Carmen Schirm
Handelszeitung

Genf hat es getan. Basel hat es getan. Zürich bastelt daran. Und neuerdings will es auch Bern tun. Die Regulierungsspirale auf dem Mietmarkt dreht sich immer schneller. Angefangen damit hat der Kanton Genf: 1983 wurde dort ein Gesetz eingeführt, welches den Mietpreis nach Renovationen und Umbauten deckelt. In der Stadt Basel wurde dieses Modell 2022 eingeführt.

Daran will man sich neuerdings auch in Bern orientieren. Am 11. November hat der Stadtrat in Bern die Motion «Für eine soziale Wohnungspolitik – Mietzinsdeckel statt Luxussanierungen» angenommen. Die ultralinke Partei der Arbeit (PdA) – deren Ziel es ist, den Kapitalismus zu überwinden, hin zu einer klassenlosen Gesellschaft – hatte diese eingereicht. Der Gemeinderat ist nun gefordert, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, um in Bern eine Mietzinskontrolle nach Sanierungen einzuführen. 

Bern: Den Vorschlägen von Ultralinks gefolgt

Das Stadtparlament in Bern, das von linken Parteien dominiert wird, ist den Argumenten der PdA gefolgt. «Der immer kleiner werdende Teil an bezahlbarem Wohnraum in der Stadt Bern muss besser geschützt werden», hiess es. Die Sanierungen würden teils vorzeitig gemacht, seien preistreibend und würden in Luxussanierungen enden. Der Präsident des Hauseigentümerverbands Bern hält dagegen: «In Bern wird kaum luxussaniert», sagt Adrian Haas.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Diese Beispiele müsse man ihm zuerst zeigen. Das tatsächliche Problem in Bern sei, dass es zu wenig Wohnungen gebe, die Bauvorhaben stockten und es nicht mehr viele Möglichkeiten gebe, im Gemeindegebiet Einzonungen vorzunehmen. «Mit diesen Regulierungsvorschlägen wird die Wohnungsnot in Bern noch verschärft.» 

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Der Gemeinderat hat jetzt zwei Jahre Zeit, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Sollte dieser in die Bauordnung übernommen werden, käme es zu einer obligatorischen Volksabstimmung. Nach dem erneuten Linksrutsch bei den vergangenen Wahlen in Bern wäre eine Zustimmung der Bevölkerung durchaus denkbar. Basel machte es vor. Niemand dort hatte ernsthaft daran geglaubt. Dennoch wurde eine, wenn auch nur hauchdünne Mehrheit der Bevölkerung mit diesem Thema abgeholt.

Wohnungsknappheit führte immer zu mehr Regulierungen

Egal ob Genf, Basel, Bern, Zürich: Aktuell werden überall Regulierungsvorschläge initiiert, eingereicht oder umgesetzt, so dass der Überblick verloren geht. In Zürich beispielsweise sind bis 2027 fünf Wohninitiativen hängig. So wird voraussichtlich im März 2026 über ein kommunales Vorkaufsrecht bei Land- und Liegenschaftsverkäufen abgestimmt. Gemeinden sollen mit Steuergeldern aktiv Grundstücke und Liegenschaften erwerben können. Eine andere Wohnungsinitiative fordert, dass mehr günstige und gemeinnützige Wohnungen gebaut werden, und die Wohnschutzinitiative will die Mieten nach Umbauten deckeln.

Auch in der Stadt Luzern gibt es Vorstösse, die eine Bewilligungspflicht und eine Mietpreisbremse für Sanierungen, Umbauten oder Ersatzneubauten vorsehen. Die Stimmbevölkerung der Stadt Zug hat im Juni 2023 einen Mindestanteil von 40 Prozent an preisgünstigen Wohnungen bei verdichteten Neubauprojekten knapp angenommen.

Die neue Regulierungswelle hat System. «Wohnungsknappheit hat in der Geschichte der Schweiz historisch gesehen stets zu strengen Mietregulierungen geführt», sagt Claudio Saputelli, Head Real Estate UBS. Während und nach den beiden Weltkriegen wurden per Notrecht teils rigide Mietpreisbremsen eingeführt. Die Orts- und Quartierüblichkeit, damit Mietpreise «nicht missbräuchlich» gelten, wurde 1972 aufgrund einer erneuten Wohnungsknappheit festgeschrieben.

Die UBS hat nachgerechnet: Insgesamt fallen aktuell rund 30 Prozent des Schweizer Mietwohnungsbestands unter mindestens eine Regulierung, etwa die Kostenmiete, das Vorkaufsrecht oder die Mietpreisbremse. Bei Umsetzung aller derzeit geplanten zusätzlichen Massnahmen würde sich dieser Anteil auf über 50 Prozent des Wohnungsbestands erhöhen (siehe Grafik). Damit wäre die Hälfte aller Schweizer Mietwohnungen stärker reguliert, als es das Mietrecht vorgibt.

Links dominierte Städte geben Stossrichtung vor

Die Befürworter dieser Regulierungen argumentieren stets gleich: mit stark steigenden Mietzinsen. Basis dafür sind meist die hohen Angebotsmieten (Wohnungen, die neu vermietet werden). Die viel tieferen Bestandesmieten (Wohnungen, in denen Mieter bereits leben) werden häufig nicht in die Berechnung integriert. Auch die Entwicklung der Durchschnittseinkommen wird links liegengelassen. Insgesamt gesehen ist Wohnraum gleich erschwinglich wie vor zwanzig Jahren. Nur eben nicht für alle. Zwischen 1998 und 2017 stieg der Wohnkostenanteil beim einkommensschwächsten Fünftel der Haushalte von 27 auf 34 Prozent. Das Einkommen des Durchschnittshaushalts hingegen entwickelte sich in den vergangenen zwanzig Jahren in etwa im Gleichschritt mit den Angebotsmieten. 

Der Wind weht von links. Die Stossrichtung geben die grossen Städte vor. Diese werden politisch mehrheitlich von linken Parteien dominiert. «Linke Parteien nutzen Vorstösse im Wohnungsmarkt für ihre politischen Ziele und entsprechend nicht im Interesse aller», sagt Claudio Saputelli. «Sie machen eine Politik, welche die Gesellschaft spaltet.» Für jene, die eine preisgedeckelte oder genossenschaftliche Wohnung haben, sei das ein Privileg. Die Preise der übrigen Wohnungen jedoch würden dadurch noch höher getrieben. 

Donato Scognamiglio, VR-des Immobilienspezialisten Iazi, weist ergänzend darauf hin: «Mit noch mehr Regulierungen lösen wir das Grundproblem nicht. Mietpreisdeckel oder Vorkaufsrechte alleine führen nicht zur notwendigen Entspannung, lediglich zu einer Umverteilung.» Man könne sich aus ideologischen Gründen zu Tode regulieren. Man müsse nur nach Genf oder Basel schauen, dort sähe man das Ergebnis zu rigider Regulierungen. Das Angebot müsste erhöht werden, unter dem Motto «Höher, schneller und dichter bauen».

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