Der russische Angriff hat der Ukraine Bomben und Grauen gebracht, das Land aber auch wirtschaftlich an den Abgrund getrieben. Die Wirtschaftsleistung ist um ein Drittel eingebrochen.
Allein die besetzten Gebiete im Osten des Landes waren vor Kriegsbeginn für 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) verantwortlich. Diese fallen nun vollständig weg. Die Region ist für ihre Stahl- und Eisenfabriken sowie ihre Kraftwerke bekannt.
Der Wirtschaftsschaden könnte noch grösser sein. Doch die Regierung konnte mit der Umsiedlung von Hunderten Firmen in den Westen des Landes zumindest einen Teil der wirtschaftlichen Produktion sicherstellen.
Grosser Mangel an Arbeitskräften
Der ukrainischen Wirtschaft fehlen wegen der Mobilmachung auch Arbeitskräfte – insbesondere im grossen Agrarsektor, der 2021 noch 106 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten produzierte. Gemäss Getreideverband sank die Produktion im ersten Kriegsjahr auf 67 Millionen Tonnen und dürfte 2023 nur mehr 50 Millionen Tonnen erreichen. Die Bauern leiden unter dem verteuerten Transport und Anbau. Die schwierige Landesversorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten trieben die Inflation im letzten Jahr auf 26,6 Prozent hoch.
Mit dem Einbruch der Wirtschaft stocken auch die Steuereinnahmen. Dabei benötigt die Ukraine gerade jetzt viel Geld. Der Krieg verschlingt Unsummen und reisst ein tiefes Loch in die Haushaltskasse. Die Regierung rechnet im laufenden Jahr mit einem Defizit von 20,6 Prozent des BIP, die Hälfte der Ausgaben fliesst in die Landesverteidigung. Dafür ist die Ukraine auf Finanzspritzen aus dem Ausland angewiesen.
Weitere 18 Milliarden Euro Finanzhilfe
Die EU hat der Ukraine weitere 18 Milliarden Euro an Finanzhilfen zugesagt. Der US-Kongress sieht in seinem Haushaltsentwurf ein Hilfspaket über 45 Milliarden Dollar vor. Die Ukraine erhielt seit Kriegsbeginn bereits mehr als 140 Milliarden Euro, einen Teil davon als zinsgünstige Kredite. Die Schweiz hat bisher 300 Millionen Franken für humanitäre Hilfe ins Kriegsland geschickt. Die Regierung nutzt die Gelder, um weiterhin Löhne, Renten, Spitäler oder Schulen zu finanzieren.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) will Industrie und Landwirtschaft mit Investitionen von 430 Milliarden Dollar stärken. Doch mögliche Geldgeber schrecken derzeit von Investitionen im Land zurück. Noch viel mehr Geld wird die Ukraine aber nach dem Krieg benötigen: Die Kosten für den Wiederaufbau werden auf 500 bis 1000 Milliarden Euro geschätzt.