In keiner anderen Branche sind Online-Bewertungen derart entscheidend wie in der Hotellerie und Gastronomie: 86 Prozent aller User geben an, Bewertungen auf Tripadvisor, Booking.com oder Google zu lesen, bevor sie sich für die Unterkunft in den Skiferien oder das Restaurant in der Feriendestination entscheiden.
Da sind negative Bewertungen vielen Betrieben ein Dorn im Auge. Dirk Luttmann (56), Wirt des Restaurants Uto Staffel auf dem Zürcher Uetliberg, hält die ewige Gäste-Nörgelei nicht mehr aus: Er kontert sarkastisch, zielt dabei nicht selten unter die Gürtellinie – und macht damit Schlagzeilen.
Nach einem Blick-Bericht rollte eine Welle der Solidarität über Luttmann. Viele haben Verständnis mit dem Wirt, der die ständige Nörgelei nicht mehr hinnehmen will.
Nur wenige Ein-Stern-Bewertungen
Andere Branchenvertreter zeichnen nun aber ein anderes Bild. «Boshafte Kommentare sind die Ausnahme», sagt Andreas Züllig (64), Präsident von Hotelleriesuisse. «Die meisten Bewertungen sind positiv.»
Das liegt nicht etwa daran, dass Züllig in seinem Hotel Schweizerhof in der Lenzerheide GR einen besonders guten Job macht, sondern lässt sich auch mit Daten untermauern: Alexander Zaugg (40) ist Gründer und CEO des Software-Anbieters Re:spondelligent, der sich auf Online-Bewertungen spezialisiert hat. Er analysiert jedes Jahr Tausende Restaurant-Bewertungen in der Schweiz. «86 Prozent der Leute geben Vier- oder Fünf-Sterne-Bewertungen», rechnet Zaugg vor, «nur fünf Prozent sind Ein-Stern-Bewertungen.»
«Google ist weniger seriös»
Für die Hotels und Restaurants sind gute Bewertungen Gratiswerbung. Und selbst den negativen Kommentaren kann Züllig etwas Positives abgewinnen: «Die allermeisten Reklamationen haben einen Grund. Die Bewertungen dienen uns als Führungsinstrument. So wissen wir, wo wir uns verbessern können.»
Bei Google hat Züllig allerdings Vorbehalte, weil dort jeder Bewertungen schreiben kann – egal, ob er überhaupt je im Hotel übernachtet oder im Restaurant gegessen hat. «Booking.com, Holidaycheck oder Tripadvisor überprüfen das besser», findet Züllig. «Google ist da weniger seriös.»
Umgang mit Kommentaren gehört zur Ausbildung
Egal, auf welcher Plattform: Hoteliers und Gastronomen fahren gut damit, auf Kommentare der Kundschaft zu reagieren – und zwar auf negative wie auch auf positive. Ansonsten schenke man den Kritikern verhältnismässig zu viel Gehör, so die Warnung von Kennern.
Den Umgang mit Online-Bewertungen lernen angehende Hoteliers heute bereits in der Hotelfachschule oder der Lehre. Ganz neu ist das Phänomen denn auch nicht: Tripadvisor gibt es seit dem Jahr 2000. Den Hoteliers und Gastronomen ist mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie online eine gute Falle machen sollten.
Schnippische Rückmeldungen wie jene des Wirts am Uetliberg sind dabei nicht zielführend, so die Branchenkenner Züllig und Zaugg unisono. Statt eine öffentliche Fehde auszutragen, raten sie Gastronomen, konstruktiv zu bleiben und den direkten Dialog mit den Kommentarschreibern zu suchen – und im Bedarfsfall auch einmal einen Gutschein auszustellen, wenn ein Gast zu Recht nörgelt.