Darum gehts
Das Geschäft mit dem Bezahlen ist eine Geldmaschine. Nichts belegt das besser als die Zahlen der grossen Kartengesellschaften. Sie kennen nur eine Richtung: nach oben. Seit 2014 hat sich die Zahl der jährlich abgewickelten Transaktionen der Marktführer Visa (USA), Mastercard (USA) und Union Pay (China) von knapp 200 auf über 650 Milliarden im Jahr 2023 mehr als verdreifacht, wobei Visa als globale Nummer eins allein 266 Milliarden Transaktionen verbuchte.
Es ist auch unter dem Strich ein Milliardengeschäft: 2024 schrieb Visa einen Reingewinn von 20 Milliarden Dollar, 13 Milliarden waren es bei Mastercard, 10 Milliarden bei der etwas kleineren, aber hochrentablen American Express. Die Zahlungsvermittler, die hinter den Kulissen die globalen Zahlungsströme organisieren, verbuchen Gewinnmargen, bei denen selbst die Pharmaindustrie feuchte Augen bekommt: Aus 100 Dollar Umsatz macht Visa 55 Dollar Reingewinn. Bei Mastercard sind es 45 Dollar.
Lokale Anbieter verdienen mit
Und so kennen auch die Börsenkurse hier vor allem eine Richtung: nach oben. Zusammen sind Visa und Mastercard derzeit mehr als 1 Billion Franken wert. Dabei fliesst nur ein kleiner Teil der Gebühreneinnahmen im Kartengeschäft an die grossen Netzwerkbetreiber. Ein Vielfaches dessen verbleibt bei nationalen Banken und Tech-Unternehmen, die für Händler Zahlungen abwickeln oder die Karten herausgeben – wie Worldline, Viseca, die UBS oder die Cornèrbank in der Schweiz.
Kein Wunder, versuchen viele, sich einen Teil dieses Kuchens abzuschneiden: globale Direktüberweiser wie Paypal, regionale Bezahlsysteme wie Twint (Schweiz) oder Swish (Schweden) und Kryptowährungen als alternative Geldsysteme für Bankskeptiker. Nicht zuletzt die Notenbanken haben zum Angriff auf die teuren Zahlungssysteme der Kartenindustrie geblasen. Viele von ihnen haben digitale Währungen lanciert, die sich einfacher übertragen lassen sollen als das Buchgeld der Banken. Vor allem aber haben sie sich vorgenommen, den klassischen Zahlungsverkehr so umzubauen und zu beschleunigen, dass er als Alternative zu den teuren Kartenzahlungen taugen könnte. Auch in der Schweiz.
Instant Payment könnte eine Alternative sein
Ende 2023 ging mit SIC 5 ein Zahlungssystem an den Start, hinter dessen Entstehung massgeblich die Schweizerische Nationalbank stand. Neu können Überweisungen in der Schweiz rund um die Uhr in Echtzeit ausgeführt werden. Maximal zehn Sekunden darf es noch dauern zwischen Auftrag und Gutschrift beim Empfänger. Das lässt neue Möglichkeiten zu – zumindest in der Theorie.
Es könnte so einfach sein: Der Kunde scannt mit seiner Bank-App einen QR-Code mit Details der Bezahlung – exakt so, wie wenn er eine QR-Rechnung bezahlt. Wenige Sekunden später geht das Geld beim Händler auf dem Konto ein, und die Zahlung wird abgeschlossen. Und dies, ohne dass teure Kartengebühren für den Händler anfallen.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Die Schweiz ist nicht das erste Land, welches eine solche Instant-Infrastruktur aufbaut – im Gegenteil: In vielen Ländern rund um die Erde sind diese bereits in Betrieb und haben die Zahlungswelten teilweise auf den Kopf gestellt. Und eigentlich könnte das auch in der Schweiz passieren. SIC 5 läuft, die Banken sind angeschlossen, Transaktionen finden statt. Aber die Revolution bleibt aus.
Die EU zwingt die Banken zur Öffnung, die Schweiz nicht
Warum das so ist, zeigt der Vergleich mit der EU. Die dortigen Open-Banking-Vorschriften ermöglichen es Drittfirmen, Bezahl-Apps direkt an die Schnittstellen der Banken anzudocken und so beispielsweise Zahlungen auszulösen. In der Schweiz gibt es diese Verpflichtung nicht. Zudem schreibt die EU vor, dass die Banken für das schnellere Instant-System nicht höhere Gebühren verlangen dürften als für traditionelle Banküberweisungen. In der Schweiz hingegen gibt es weder eine solche Vorschrift, noch müssen die Banken überhaupt Instant-Zahlungsausgänge anbieten. Bloss die sofortige Gutschrift ist vorgeschrieben.
Und so bocken viele Banken noch bezüglich Einführung. Die Postfinance bietet ausgehende Instant-Zahlungen gar nicht an, die UBS verlangt eine Gebühr von 5 Franken pro Zahlung. Andere wie die Hypothekarbank Lenzburg haben Instant Payment ohne Zusatzgebühren eingeführt. Für Händler, die auf Instant Payment als günstiges Zahlungsmittel setzen wollen, sind das schlechte Voraussetzungen.
Insider sagen, dass Instant Payment erst dann eine Chance habe, wenn die Banken daran gleich viel verdienen, wie wenn ihre Kunden mit den Kredit- und Debitkarten bezahlen – also erst dann, wenn der Handel Gebühren akzeptiert, von denen ein Teil an die Banken fliesst.
Visa setzt auf Wachstum ausserhalb des Zahlungsverkehrs
Was bedeutet das alles für Visa und Co.? Die Payment-Konzerne haben sich längst angepasst und bauen ihre Geschäftsmodelle um: Vom reinen Vermittler von Zahlungen mutieren sie zu globalen Technologieunternehmen. Man habe schon vor Jahren das eigene Netzwerk geöffnet und sei bereit für neue Partnerschaften, sagt Santosh Ritter, Länderchef von Visa in der Schweiz.
Er will sein Unternehmen stärker als Sicherheitsberater für Banken und andere Netzwerkbetreiber positionieren. «Keiner kennt den Zahlungsverkehr und seine Risiken besser als wir», sagt Ritter. Jede einzelne Zahlung überprüfe man anhand von rund 500 Merkmalen auf Betrugsrisiken. Etwas, das nicht zuletzt auch bei Instant Payments wichtig werde, die nach wenigen Sekunden abgeschlossen sein sollen und die – anders als Kreditkartenzahlungen – auch nicht widerrufen werden können.
Bereits heute sei Visa mit Betreibern von Zahlungssystemen und Banken in Kontakt und habe etwa bereits ein Pilotprojekt mit dem nationalen Zahlungsnetzwerk Grossbritanniens umgesetzt.
Und so bemüht sich Visa auch in der Schweiz um neue Aufträge. Seine Büros in der Zürcher Altstadt hat Ritter bereits ausgebaut und Platz gemacht für mehr Personal. Daran, dass künftig mit Zahlungen kein Geld mehr zu verdienen wäre, glaubt in der Branche niemand. Der Kuchen wächst weiter, er wird bloss anders aufgeteilt.