Trotz des Kriegs in der Ukraine und internationaler Sanktionen
Schweizer Privatjetfirma fliegt immer noch in Russland

Die Schweizer Privatjetfirma Comlux setzt auf Oligarchen. Ihr Chef prahlte mit den russischen VIPs. Auch nach der Invasion von Putins Armee in der Ukraine geschäftete das Hergiswiler Unternehmen weiter in Russland, wie Blick-Recherchen zeigen.
Publiziert: 20.04.2022 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2022 um 15:08 Uhr
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Die Schweizer Privatjetfirma Comlux hat Mega-Jets wie die Boeing 767-200ER im Angebot.
Foto: Comlux Aviation
Nicola Imfeld

Die russischen Oligarchen sind weltweit ins Kreuzfeuer geraten. Nach der Invasion in der Ukraine sind Hunderte namhafte Persönlichkeiten im Umfeld von Kreml-Chef Wladimir Putin (69) auf die westlichen Sanktionslisten gesetzt worden. Die letzten Tage und Wochen haben die Superreichen deshalb vor allem damit verbracht, ihre Vermögenswerte im Westen in Sicherheit zu bringen. Auf dem Land- und Seeweg, aber auch mit Privatjets.

Eine Schweizer Privatjetfirma ist mit den russischen VIPs besonders eng verbandelt. Die Firma Comlux Aviation besitzt Dutzende Luxus-Jets und unterhält unter anderem zwei Hangars in Kasachstan. In der Schweiz hat das Unternehmen, das weltweit rund 500 Mitarbeitende beschäftigt, einen von aussen unscheinbaren Hauptsitz in Hergiswil NW und ein Büro in Zürich.

Alles andere als unscheinbar ist das Flugzeug-Portfolio von Comlux: Darin findet sich unter anderem eine Boeing 777-200LR, die neu 324 Millionen Franken wert ist. Oder auch eine 767-200ER mit Preisschild 149 Millionen Franken. Nur die Reichsten der Reichen können sich solche Privatjets, die normalerweise im Besitz von kommerziellen Airlines sind, leisten.

Comlux-Chef prahlt mit VIPs aus Russland

Und das sollen vorwiegend russische Oligarchen sein. Comlux-Chef Andrea Zanetto (60) führt das Unternehmen seit 2011 und ist ausgebildeter Luftfahrtingenieur. Der Italiener begann seine Karriere beim brasilianischen Flugzeughersteller Embraer. Im Jahr 2018 prahlte er mit den russischen VIPs, die mit seinen Fliegern um die Welt jetten.

In einem Interview mit dem russischen Luftfahrtmagazin «Russian Aviation Insider» gab er an, 30 bis 40 Prozent seines Geschäfts in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion abzuwickeln. Russland und Moskau seien fantastisch, erzählte Zanetto. Es gebe viel Reichtum, und die russische VIP-Gemeinde gehe gern auf Geschäftsreisen oder private Trips.

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Comlux flog auch nach Invasion weiterhin in Russland

Offenbar will die Schweizer Privatjetfirma auch jetzt nicht auf das Geld der russischen Oligarchen verzichten. Comlux operiert auch nach der Invasion von Putins Armee in der Ukraine weiterhin in Russland, wie Blick-Recherchen zeigen. Mit Flugdaten lassen sich die Comlux-Bewegungen der vergangenen Wochen exakt nachzeichnen.

So hat ein Superjet 100 des russischen Flugzeugherstellers Suchoi Anfang März mehrfach von den Metropolen Moskau und St. Petersburg in Richtung Kasachstan abgehoben. Auch ein Mitsubishi Challenger 850 von Flugzeughersteller Bombardier war zuletzt zwischen Russland und Kasachstan im Einsatz. Eine Flugbewegung vom 9. März zeichnete eine nächtliche Reise von der west-russischen Stadt Petrozavodsk in die kasachische Metropole Almaty auf.

Illegal sind die Aktivitäten von Comlux vermutlich nicht, da die Flüge von der kasachische Tochtergesellschaft Comlux KZ durchgeführt wurden und die Privatjets in Kasachstan registriert sind. Das Land gehört zu den Verbündeten Russlands und hat sich den westlichen Sanktionen bislang nicht angeschlossen.

Comlux streitet ab

Blick versuchte tagelang, die Hergiswiler Firma mit den Recherchen zu konfrontieren. Doch das Management liess Anfragen per E-Mail und Telefon unbeantwortet. Chef Andrea Zanetto war für Blick nicht erreichbar. Kurz vor Publikation des Artikels meldete sich Comlux-Sprecherin Séverine Cosma doch noch.

«Wir haben sofort alle Flüge nach, von und über Russland, Weissrussland, Moldawien und die Ukraine eingestellt», schreibt sie. Sowieso habe man aufgrund des Krieges und der Sanktionen alle Geschäfte in Russland bis auf Weiteres eingestellt. «Aufgrund der internationalen Sanktionen sind unsere Aktivitäten in Russland gleich null», so Cosma.

Kehrtwende

Sämtliche Aussagen sind nachweislich falsch, wie aus der Blick-Analyse von Flugdaten hervorgeht. Damit konfrontiert, krebst Comlux zurück. Man sei in der Antwort «nicht spezifisch genug» gewesen. Die Sprecherin bestätigt die von Blick ausgewerteten Flugdaten. «Bei diesen Flügen handelte es sich ausschliesslich um Privatflüge für den Flugzeugeigentümer und sie wurden nicht für russische Personen oder Organisationen durchgeführt», behauptet Séverine Cosma.

Das Vorgehen von Comlux gefiel den Flugzeugherstellern und den Versicherungsgesellschaften aber offenbar gar nicht. Sie haben auf die Schweizer Firma Druck ausgeübt. «Aufgrund der zwischenzeitlich von den Flugzeugherstellern und Versicherungsgesellschaften eingenommenen Position und der Entscheidung der Comlux Gruppe, haben wir jedoch seit Mitte März alle Flüge nach Russland eingestellt.»

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«Lässt sich ethisch kaum rechtfertigen»

SP-Nationalrat Jon Pult (37) bezeichnet das Vorgehen von Comlux auf Blick-Anfrage als «problematisch». «Wer in einem so sensiblen Bereich schwindelt oder nicht völlig transparent ist, verliert jegliches Vertrauen», sagt Pult, der auch Präsident der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen KVF ist. Wenn eine Firma im nicht-sanktionierten Bereich zum Beispiel Medizinaltechnik nach Russland liefere, sei das richtig.

«Hingegen sind Flüge in Privatjets nur etwas für Oligarchen – die absolute Elite Russlands, die mindestens eine gewisse Mitverantwortung für das Regime trägt – deren Interessen man sicher nicht schützen sollte», sagt Pult. Sein Fazit: «Was Comlux macht, lässt sich aus ethischer Sicht kaum rechtfertigen.»

Auch russische Oligarchen an Bord?

Unklar ist, ob sanktionierte russische Oligarchen Ende Februar und Anfang März mit den Comlux-Maschinen unterwegs waren. Das Geschäft läuft auf alle Fälle weiterhin prächtig. Auch im April lassen sich zahlreiche Flüge von Comlux-Maschinen in der Region rund um Kasachstan, aber auch in westlichen Ländern, nachverfolgen.

Sprecherin Séverine Cosma meinte im ersten schriftlichen Statement dazu: «Comlux hat seit der Einführung der Sanktionen keine russischen Oligarchen mehr geflogen.» Eine Aussage, die von Blick nicht überprüft werden kann, weil die Passagierlisten anders als die Flugdaten nicht öffentlich einsehbar sind.

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