Jahrelang stiegen die Wohnungsleerstände unaufhörlich in die Höhe – und trotzdem wurden immer mehr Wohnüberbauungen aus dem Boden gestampft. Dann kam die Pandemie, und es passierte etwas, das selbst Immobilienexperten überraschte: Die Leerstandsziffer nahm schweizweit ab – und zwar deutlich.
Doch die frohe Nachricht gilt nicht überall. In gewissen Regionen stieg die Leerstandsziffer sogar stark an. Das zeigt eine Analyse der Credit Suisse (CS). «Es handelt sich dabei in erster Linie um Gemeinden und Regionen, wo noch immer viele Wohnungen gebaut werden, obwohl die Nachfrage stockt», sagt Fredy Hasenmaile (54), Immobilienexperte der CS.
Abseits des Pendlerstroms
Viele leere Wohnungen finden sich zudem in Gemeinden, die weit weg von den grossen Stadtzentren liegen und daher auch für Pendler als Wohnort selten infrage kommen.
In der Deutschschweiz gehören die beiden Halbkantone Appenzell, periphere Gemeinden am Jurasüdfuss und das Urnerland zu den Spitzenreitern, was die Leerstandsquote angeht.
Bauboom bei Mietwohnungen
Am höchsten sind die Zahlen aber in der Region La Chaux-de-Fonds, wo die Leerstandsziffer 4,57 Prozent beträgt. Und in der Region Mendrisio, wo 4,54 Prozent aller Wohnungen leer stehen. Zum Vergleich: Schweizweit beträgt die Quote 1,54 Prozent.
Das Überangebot betrifft dabei meist Mietwohnungen – Wohneigentum ist fast überall in der Schweiz knapp und Leerstände kaum vorhanden.
Hier wird trotz Leerstand weitergebaut
In den meisten Regionen mit hohen Leerständen nimmt die Bautätigkeit bei den Mietwohnungen mit der Zeit ab. Im Tessin beispielsweise gingen die Baubewilligungen für Mietwohnungen sowohl in Bellinzona als auch in der Region Lugano zurück.
In Mendrisio dagegen ist erst jüngst eine neue Welle von Mietwohnungen ausgelöst worden, obwohl die Leerstände bei den Mietwohnungen – ohne Wohneigentum – in dieser Region bereits über 8 Prozent ausmachen.
«Ein Grund dafür liegt wohl darin, dass neue Mietwohnungen letztlich selten leer bleiben», sagt Hasenmaile. Mieter bevorzugen Neubauten mit modernem Innenausbau und zeitgemässen Grundrissen.
Hier sinken die Mieten
Das heisst, mit den Leerständen haben nicht diejenigen zu kämpfen, die bauen. Sondern die Eigentümer von älteren, nicht mehr zeitgemässen Objekten. «Es bestehen daher Anreize für Bauherren zu bauen, weil nicht sie selber von den Leerständen betroffen sind», so Hasenmaile.
Doch die Rechnung gehe für die Bauherren von Neubauten nur begrenzt auf. «Hohe Leerstände lösen einen Druck auf die Mieten aus, dem sich auch sie nicht entziehen können», sagt der Immobilienexperte. Soll heissen: In den oben genannten Regionen profitieren Mieter von sinkenden Mieten.
Wie viel tiefer die Miete dort im Vergleich zu anderen Gemeinden ausfallen, zeigt diese Mietpreis-Karte der Schweiz.