Herr Schaeppi, Sie wurden 2013 Swisscom-Chef. Was sagte Ihre Frau dazu?
Urs Schaeppi: Sie war wenig begeistert, weil das mehr Arbeit bedeutete. Und sie hatte Angst, dass es mich verändern würde. Doch sie sagte mir erst kürzlich wieder, dass das nicht passiert sei. Im Rückblick ist sie zufrieden.
Ihr Vorgänger Carsten Schloter hatte sich das Leben genommen. Beeinflusste sein Suizid Ihren Blick auf diese Aufgabe?
Er hat mich darin bestärkt, nicht bis an den Anschlag zu gehen und auch die nötige Distanz zu behalten.
Was hat das Amt mit Ihnen gemacht?
Ich musste schon aufpassen, was ich sage. Denn der CEO repräsentiert das Unternehmen. Aber ich konnte mich auch nicht verstellen, weil ich dann nicht mehr glaubwürdig gewesen wäre.
Manche sagen, Sie seien zu weich gewesen.
Ich habe klar Leistung eingefordert, sonst hätte sich die Swisscom nicht so stark entwickelt. Aber wenn sich die Angestellten unwohl fühlen, können sie ihre Leistung auch nicht bringen. Es braucht Respekt und Wertschätzung.
Was haben Sie als Swisscom-Chef vermasselt?
Vermasselt habe ich nichts – aber ich hätte gewisse Dinge konsequenter machen können. Das betrifft zum Beispiel die Vereinfachung unserer komplexen Systeme.
Sie kamen 1998 von der Papierfabrik Biberist zur Swisscom und machten aus einem Telefonanbieter einen digitalen Konzern: Telefonie, TV, Cloud-Geschäft, Cybersicherheit – wissen die Leute überhaupt noch, was Sie alles anbieten?
Das wissen die wenigsten, aber das ist auch nicht überraschend. Wir gehören heute zu den grössten ICT-Konzernen der Schweiz. 70 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit Produkten, die es vor zehn Jahren noch nicht gab. Die Digitalisierung der Swisscom ist der rote Faden meiner Amtszeit.
Wie geht es mit der Digitalisierung weiter?
Die Welt wird smart. Alles wird intelligent und vernetzt: Gegenstände, Autos, Häuser. Das fasziniert mich. Ich freue mich auf den smarten Butler, der mir die Steuererklärung macht.
Swisscom stellt die Netze bereit, die es dazu braucht. Sind die denn sicher?
Das sind sie, doch dahinter steckt ein enormer Aufwand. Swisscom registriert 4,5 Millionen Cyberangriffe pro Monat. Mehr als 400 Angestellte kümmern sich um die Sicherheit der Infrastruktur.
Spürt der Chef eines digitalen Konzerns seine Kunden noch?
Dieser Kontakt ist zentral. Wer die Firma am Kunden vorbei entwickelt, hat verloren. Hinzu kommt, dass alle in der Schweiz in irgendeiner Form mit Swisscom zu tun haben. Ich erhalte täglich Rückmeldungen aus dem privaten Umfeld und aus der breiten Bevölkerung. Jeder Klagebrief und jedes Dankesschreiben wird beantwortet.
Welches Swisscom-Produkt mögen Sie? Und welches geht Ihnen auf die Nerven?
Ich mag mein Mobile, um das herum ich mein ganzes Leben organisiere. Ich lese die Zeitung darauf, höre Radio, lasse mich navigieren. Was mich hingegen manchmal ärgert, sind die Hunderten von E-Mails, die jeden Tag hereinschneien. Und die sind auch ein Swisscom-Produkt, wenn Sie so wollen.
Es herrscht ein massiver Konkurrenzkampf. Das freut die Kunden. Aber ist es noch gesund?
Konkurrenz hält fit. Sie muss allerdings fair sein. Wir versuchen uns durch Leistung abzuheben, denn der reine Preiswettbewerb nützt in unserem Markt niemandem. Dann können die Unternehmen nämlich nicht mehr in die Infrastruktur investieren, worunter am Ende die Kunden leiden.
Das sagen Sie, weil Swisscom teurer ist als die anderen …
Unsere Produkte sind im Schnitt nicht teurer. Aber relevant ist ohnehin das Preis-Leistungs-Verhältnis! Nehmen Sie unser TV-Angebot, das den Kunden einen einfachen Zugriff auf eine ganze Entertainment-Welt ermöglicht. Da zählt nicht nur der Preis, sondern auch die Qualität.
Einig ist sich die Branche bei 5G. Alle Anbieter wollen den Ausbau vorantreiben, stossen aber auf enormen Widerstand. Warum?
Neue Technologien rufen stets Ängste hervor. Doch es ist breit belegt, dass niemand vor 5G Angst haben muss. Das zeigen wissenschaftliche Studien immer wieder.
Dann erklären Sie es den Leuten nicht gut genug.
Das kann sein. Doch es ist auch nicht so einfach, gerade wenn Ängste im Spiel sind. Mit Fakten kommen wir gegen Emotionen nicht an. Deshalb müssen wir den Dialog versachlichen. Für uns kommt hinzu, dass wir als Anbieter nur beschränkt glaubwürdig sind. Darum sind Politik, Behörden und Wissenschaft hier ebenfalls gefordert.
1998 wechselte Urs Schaeppi (62) von der Papierfabrik Biberist zum Telekomriesen Swisscom. Seither ist er ununterbrochen und in verschiedenen Funktionen für das Unternehmen tätig. Nach dem Tod von Carsten Schloter übernahm er 2013 das Amt des CEO. Schaeppi hat die Digitalisierung von Swisscom massgeblich vorangetrieben. Ende Monat tritt er zurück. Der ehemalige FIS-Skirennfahrer ist verheiratet.
1998 wechselte Urs Schaeppi (62) von der Papierfabrik Biberist zum Telekomriesen Swisscom. Seither ist er ununterbrochen und in verschiedenen Funktionen für das Unternehmen tätig. Nach dem Tod von Carsten Schloter übernahm er 2013 das Amt des CEO. Schaeppi hat die Digitalisierung von Swisscom massgeblich vorangetrieben. Ende Monat tritt er zurück. Der ehemalige FIS-Skirennfahrer ist verheiratet.
Alle wollen schnellere Netze, doch niemand will eine Antenne vor dem Haus …
Das ist der springende Punkt. Ich habe noch kaum jemanden gesehen, der kein Mobile hat und all die datengetriebenen Apps nicht nutzt. Nur die Antennen will niemand. Es ist wie mit den Strassen. Jeder fährt darauf, aber niemand will sie vor dem eigenen Garten. Wir Schweizer sind halt schon verwöhnt. Wir halten vieles für gottgegeben, worauf andere Länder sehnlichst warten.
Umso schneller kommt die Kritik, wenn es Pannen gibt. Warum häufen sich die grossen Störungen bei der Swisscom?
Keine andere Infrastruktur in der Schweiz wird öfter verändert als unsere. Netze sind lebende Mechanismen, die immer komplexer werden. Wir greifen 600-mal pro Tag in sie ein. Wir setzen alles daran, dass es keine Ausfälle gibt. Und ich verstehe die Kritik, wenn es trotzdem passiert. Vor zehn Jahren hätte kaum jemand einen kurzen Ausfall bemerkt, aber heute sind die Leute auch noch abends um zehn am Streamen. Und wenn dann Netflix zehn Minuten lang nicht läuft, gibt es eine Familienkrise. Denn unser ganzes Leben ist um diese Produkte herum organisiert.
Und kaum ist der Ausfall repariert, zitiert man Sie ins Bundeshaus. Verstehen die Politiker eigentlich viel von Telekommunikation?
Ich habe ihnen immer ehrlich und transparent erklärt, was passiert war und wie wir darauf reagierten. Das hat stets gut funktioniert. Natürlich gab es auch berechtigte Kritik, aber die wirkt in den Medien manchmal lauter als in der Realität.
Jetzt wollen Sie kurz vor dem Rücktritt noch die Medien schelten!
Überhaupt nicht. Die Medien brauchen heute auch Klicks. Und die Swisscom bringt Klicks. Das breite Echo zeigt ja auch, dass wir ein relevantes Unternehmen sind, das die Bürger interessiert.
Vielleicht auch deshalb, weil es zu 51 Prozent dem Staat gehört. Ist das gut oder schlecht?
Wir sind mit dem Bund als Hauptaktionär zufrieden. Und wir haben das gleiche Ziel, nämlich langfristig in die Schweizer Infrastruktur zu investieren. Es gibt allerdings auch noch 49 Prozent andere Aktionäre, denen wir verpflichtet sind.
Aber Sie stehen unter der Fuchtel des Bundes.
Der Bund zahlt uns keinen Rappen Subventionen. Im Gegenteil, wir zahlen hohe Dividenden. Umso wichtiger ist, dass Swisscom die unternehmerischen Freiheiten behält, denn wir bewegen uns in einem voll liberalisierten Markt. Die letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass das Modell Swisscom mit dem Staat als Hauptaktionär funktioniert.
Sie sind 62 Jahre alt. Was tun Sie jetzt?
Ich freue mich auf mehr Freizeit! Aber es gibt schon ein paar Projekte im unternehmerischen Umfeld, die ich in Angriff nehmen will. Welche das sind, behalte ich allerdings noch für mich.