Verspätungen, Wackelzüge, defekte Türen – in den letzten Jahren sorgten die SBB zuverlässig für Negativschlagzeilen. Nun hievt sich ein anderer Staatsbetrieb ins Rampenlicht: die Swisscom unter CEO Urs Schaeppi. Der jüngste Netzausfall in weiten Teilen der Schweiz ist der bisherige Höhepunkt einer Pannenserie, die Swisscom in eine Krise gestürzt hat.
Dabei will der blaue Riese Vorreiter sein im hart umkämpften Telekom-Markt. Darauf pocht Swisscom vehement: «Das beste Netz der Schweiz». Aber stimmt das noch? «Leider ist damit über die Netzsicherheit und die Verbindung nichts gesagt», erklärt Ralf Beyeler, Telekom-Experte beim Onlinevergleichsdienst Moneyland. «Swisscom hat in letzter Zeit bewiesen: Sie ist sehr pannenanfällig.» Die Firma komme dem eigenen Slogan kaum noch nach. «Sie hat das Kerngeschäft nicht mehr im Griff.»
Im März 2019 versendete Swisscom E-Mails an die falschen Empfänger. Im Juni löschte das Unternehmen Fotos, Videos und andere Daten Hunderter von Nutzer des Speicherdienstes MyCloud. Vor einem Monat führte eine schweizweite Panne zum Ausfall der Notfallnummern. Was sich in der Nacht auf letzten Mittwoch wiederholte: Nach Wartungsarbeiten fielen grosse Teile des Swisscom-Netzes aus. Erneut waren auch die Notrufe betroffen. Die Nummern 112, 117, 118, 144 und 147 waren teilweise nicht erreichbar, ebenso Alertswiss, die Alarm-App des Bundes.
Alles begann mit einem Test
Swisscom steht unter Stress. «Der Grund dafür ist der Sunrise-Schock von 2016», sagt Ralf Beyeler. Damals landete Marktführer Swisscom im viel beachteten Test des Fachmagazins «Connect» lediglich auf dem zweiten Platz – hinter dem Konkurrenten Sunrise. «Das hat Swisscom enorm unter Druck gesetzt», sagt Beyeler. «Seither versucht der Konzern mit allen Mitteln, seinen Marktanteil von 60 Prozent zu behaupten.»
Der Konkurrenzkampf ist hart, die Preise fallen, das Kerngeschäft harzt. Deshalb baut Swisscom das IT- und TV-Geschäft aus, investiert in Zukunftsmärkte wie Cloud-Services und 5G, betreibt den Zahlungsverkehr von Banken. Gespart wird dafür beim Personal. 2500 Jobs hat Swisscom seit 2015 gestrichen. Angesichts der letzten Pannen stellt sich die Frage: Wurde am richtigen Ort gespart? Die Technik war am schweizweiten Netzausfall unschuldig. «Die Störung ist auf mehrfaches menschliches Versagen zurückzuführen», bestätigt Swisscom-Sprecher Sepp Huber.
Nun werden die Fernmeldekommissionen von National- und Ständerat aktiv. SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger wird am Montag einen Vorstoss einreichen, um zu erfahren: «Wie können weitere Pannen verhindert werden? Welche Risiken für Blaulichtorganisationen, Banken und Bevölkerung entstehen durch die Pannenserie von Swisscom?»
Nationalrat wundert sich
Und SP-Nationalrat Matthias Aebischer will wissen: «Wie ist es möglich, dass aufgrund menschlichen Fehlverhaltens sämtliche Notruf-Back-ups ausser Kraft gesetzt werden?» Auch das Bundesamt für Kommunikation Bakom untersucht die Vorfälle. Uvek-Vorsteherin Simonetta Sommaruga trifft sich nächste Woche mit Swisscom-CEO Urs Schaeppi. Sprecherin Annetta Bundi: «Das Uvek erwartet, dass die Swisscom jederzeit eine qualitativ einwandfreie Grundversorgung gewährleisten kann.»
Daran zweifeln mittlerweile die ersten Kantone. Sie suchen nach Auffangmöglichkeiten für den Fall einer erneuten Swisscom-Panne. Wie «Der Bote» berichtet, macht der Kanton Schwyz das internetunabhängige Polycom-Funksystem, mit dem die Blaulichtorganisationen arbeiten, der Bevölkerung zugänglich und installiert es an diversen Notfall-Treffpunkten. Auch in Graubünden sind Abklärungen im Gang, wie Mediensprecher Roman Rüegg bestätigt: «Das Schwyzer Modell ist auch für uns eine Option.»
Die Kantone St. Gallen und Aargau haben schon seit längerem eine Umleitung installiert: Ihre Systeme stellen auf Sunrise um, wenn Swisscom ausfällt. Diese Methode jedoch ist technisch unsicher. «Es gibt nichts zu beschönigen», sagt Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau. «Es hätte böse enden können.»