Den Gegenentwurf zur Credit Suisse bieten ausgerechnet zwei Heavy-Metal-Investoren, die ungleicher nicht sein könnten. Die beiden, Martin Haefner (69) und Peter Spuhler (64), setzten nicht auf Staatsgarantie und machen sich nicht aus dem Staub. Wenn es brenzlig wird, packen sie zu. Zuletzt bei Rieter, dem weltweit führenden Textilmaschinenproduzenten. Es ist das eine Grossinvestment, das andere tätigten sie bei Swiss Steel, einem 4-Milliarden-Riesen.
Beim Stahlkonzern wie bei der Maschinenfirma ist das Risiko beträchtlich. Seit zehn Jahren kommen die Firmen nicht über das Prinzip Hoffnung hinaus. Im Rieter-Geschäftsbericht 2012 tönte es so: «Abläufe perfektionieren – Potenzial erschliessen.» Bei Swiss Steel: «Der Beginn einer Erfolgsstory.» Dumm nur, dass sich die Realität nie an die flotten Zeilen im Annual Report hielt.
Dass die Erfolgsstory auf sich warten lässt, ist leicht am Aktienkurs abzulesen. Der weist nur in eine Richtung: nach unten. Rieter verlor innert zehn Jahren 44 Prozent, Swiss Steel gar 93 Prozent. Zum Vermögensausbau taugten diese beiden Firmen bislang kaum.
CS und UBS halfen mit
Anfang April haben Haefner und Spuhler gleichwohl bei Rieter nachgelegt. Haefner war offenbar bereits vor einem Jahr heimlich eingestiegen, blieb aber unter der Meldeschwelle. Nun hat er weitere 7 Prozent zugekauft. Derweilen stockte Spuhler von 26 auf 33 Prozent auf.
Dieser Nachschlag über rund 80 Millionen Franken ist mehr Zufall als Strategie: Spuhler hatte sich mit einem Rieter-Mitaktionär verkracht, weil dieser mit Insiderwissen ausgerechnet Rieter eine Firma von der Kaufliste wegschnappen wollte. Nach einer Strafanzeige blies der in Ungnade gefallene Verwaltungsrat schliesslich zum Rückzug und betraute die Credit Suisse mit der Suche nach einem Käufer seines Aktienpakets.
Spuhler kaufte zu – aber nur die Hälfte, weil er sonst ein Übernahmeangebot an sämtliche Rieter-Aktionäre und -Aktionärinnen hätte lancieren müssen. Dann konnte die beigezogene UBS einen neuen Käufer für die andere Hälfte begeistern – Martin Haefner, der seit Jahren mit der UBS geschäftet.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.
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So fanden mit Haefner und Spuhler ein ungleiches Paar bei Rieter zusammen. Hier der zurückhaltende Analytiker mit ETH-Mathematikstudium aus Luzern, der sich als Langfristinvestor sieht und in einem raren Interview einst meinte: «Aktien kaufen und verkaufen ist mir zu langweilig.» Dort der Eisenbahnindustrielle, der nichts lieber tut, als quietschende Industriefirmen in die Gänge zu bringen. Und es gibt viel zu tun.
Bei Rieter steigt zwar der Umsatz und die Auftragsbücher sind voll, doch man verdient kein Geld. Ausgerechnet der Technologieführer der Branche, der Kapital für nächste Innovationen generieren sollte. Das Management bekam die Produktion und die Lieferkette nicht in den Griff. Vernachlässigt hat man das operative Kleingeschäft und die Eigentümer mit allerlei Erklärungen auf eine blühende Zukunft vertröstet.
Oetterli am Drücker
Auch Spuhler, der schon seit 15 Jahren dabei ist, hat wohl zu lange zugeschaut. Immerhin wurde der Konzernchef kürzlich entmachtet und durch Thomas Oetterli (54) ersetzt. Der frühere Schindler-Chef muss nun endlich durchgreifen und beweisen, was wirklich in Rieter steckt. Ihm bietet sich bald in Mailand eine Bühne für seine industriellen Wunderwerke, an der ITMA, die grössten Textilmaschinenmesse der Welt.
Bei Swiss Steel ist das illustre Investorenduo seit zwei Jahren engagiert, einfach war es nie. Haefner wollte sein Aktienpaket verkleinern und suchte – neben Viktor Vekselberg (66) – einen dritten Ankeraktionär, einen mit Industrieerfahrung, einen wie Spuhler. Doch kurz vor Verkaufsabschluss über ein 100-Millionen-Aktienpaket brach Haefner die Verhandlungen mit Spuhler plötzlich ab.
Aus seiner Entourage war Haefner zugeflüstert worden, Spuhler werde Honorarkonsul von Russland und sei ergo dem Lager Vekselbergs zuzurechnen – was Haefner befürchten liess, bei einem Verkauf an Spuhler werde er vom Duo Vekselberg/Spuhler ausgetrippelt und marginalisiert.
Nach dem Rückzieher Haefners tobte Spuhler, der sich betrogen fühlte. Doch als die Fake News vom Russen-Konsul Spuhler Monate später entlarvt war, zog Spuhler – nach vertraulichen Gesprächen mit Haefner – Ende 2020 doch noch ins Aktionariat ein. Aber das Misstrauen zwischen beiden sass so tief, dass zwei von Spuhler in den Swiss-Steel-Verwaltungsrat abdelegierte Verteter noch ein Jahr zuwarten mussten, bis sie schliesslich 2022 ins Gremium eintreten durften.
Und siehe da: Seither herrscht Frieden zwischen den Industriekapitänen Haefner, Spuhler und Vekselberg, die sich auf eine Maxime einigten. Sie lautet: Wir sind keine Trader, sondern Industrielle, die auf langfristige Ziele aus sind. Doch der Erfolg, der lässt bei Swiss Steel – wie bei Rieter – auf sich warten. Dabei hat man einiges im Köcher: Mit dem Edelprodukt Green Steel – aus rezykliertem Stahl und im Elektroofen geschmolzen – hofft die Firma auf einen margenstarken Verkaufsschlager. Auf einen, der der umweltschädlichen Branche Pluspunkte einbringen soll.
Bei derart vielfältigen Herausforderungen ist es umso erstaunlicher, wie locker das Cash bei der Kompensation von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sitzt. Da erinnert die Stahlfirma an Zustände wie bei der Credit Suisse: Kassiert wird immer, selbst wenn es schlecht läuft. Das zeigte sich auch 2022: Bei einem mageren Jahresgewinn von 9,2 Millionen Franken gönnten sich die Firmengranden eine rekordverdächtige Gage von 10,1 Millionen Franken.
Ob die Führungstruppe dieses Geld tatsächlich wert ist, muss sie Spuhler, Haefner und all den anderen Aktionären und Aktionärinnen erst noch beweisen.