Blick: Was veranlasste Oliver Wyman, eine Studie zur mangelnden Förderung von Jugendlichen durchzuführen?
Joris D’Incà: Wir sehen den Fachkräftemangel als entscheidendes Thema für die Zukunft der Schweizer Wirtschaft. Sie muss die Talente in unserem Land optimal zu nutzen können. Das veranlasste uns dazu, zu schauen, was sie daran hindert.
Wie kam es zur Kooperation mit Allianz Chance+?
Die Allianz Chance+ verfolgt ähnliche Ziele wie wir, jedoch aus der Richtung der Bildungsgerechtigkeit. Das war ideal, um mit unserer auf die Wirtschaft ausgerichteten Perspektive zu verknüpfen.
Was war das konkrete Ziel?
Zu sensibilisieren. Wir wollen aufzeigen, dass es kein vernachlässigbares Thema ist. Es ist eine grosse Chance für unsere Wirtschaft. Die Studie soll einen Impuls senden, damit Lösungen folgen.
14’000 zusätzliche Talente pro Jahr wären möglich. Haben Sie ein solches Resultat erwartet?
Es ist tatsächlich eine grosse Zahl. Es war uns aber von Beginn an bewusst, dass das Potenzial da ist.
Überrascht hat mich eher, wie viele Menschen tatsächlich ohne Lehre oder Ausbildung aus unserem Bildungssystem ausscheiden. Zukünftig wird die Integration dieser Jugendlichen ein grosses Thema werden – vor allem im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel.
Wird also die Förderung benachteiligter Jugendlicher den Fachkräftemangel lösen?
Es ist ein Teil der Lösung. Gleichzeitig muss sich die Schweiz im globalen Talentwettbewerb durchsetzen können. Denn die Probleme sind länderübergreifend dieselben.
Der Schweizer Volkswirtschaft entgehen gemäss ihren Schätzungen jährlich bis zu 29 Milliarden Franken. Was beinhaltet die Zahl?
Die Zahl beinhaltet die höheren Gehälter und die Wertschöpfung der Unternehmen, wenn jährlich die zusätzlichen Talente ausgebildet werden. Weitere Faktoren, wie etwa höhere Steuereinnahmen oder tiefere Sozialkosten, sind nicht eingerechnet. Auch Durchbrüche in der Forschung, die solche Menschen bewirken könnten, liessen wir ausser Acht.
Welche Massnahmen sind nun nötig?
Die vorgeschlagenen Massnahmen spielen sich in einem Dreieck aus Wirtschaft, Bildung und Politik ab. Die Wirtschaft soll etwa enger an die Schule rücken, um die Begeisterung für eine höhere Ausbildung zu entfachen. Und in der betrieblichen Ausbildung mehr darauf achten, Talente zu fördern.
Zum anderen ist die Finanzierung der Ausbildung ein grosses Thema. Wir müssen schauen, dass finanziell benachteiligte Menschen dennoch ein Universitätsstudium absolvieren können.
Wie soll es weitergehen?
Jetzt geht es darum, mit Wirtschaftsvertretern zusammenzusitzen und zu schauen, welche Massnahmen gemeinsam umgesetzt werden können.