Bildungsgerechtigkeit könnte Fachkräftemangel reduzieren
Der Schweiz entgehen 29 Milliarden Franken pro Jahr

Eine neue Studie zeigt: Die Schweizer Volkswirtschaft verzichtet jährlich auf bis zu 14'000 Talente – trotz des Fachkräftemangels. Die Lösung läge in der gezielten Förderung benachteiligter Jugendlicher.
Publiziert: 27.06.2023 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2023 um 11:13 Uhr
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Die konsequente Förderung von Jugendlichen aus armutsbetroffenen oder fremdsprachigen Familien könnte den Fachkräftemangel verringern. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

In der Schweiz spitzt sich der Fachkräftemangel zu. Bis 2035 würden gemäss einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens Oliver Wyman und der Förderinstitution Allianz Chance+ über 300’000 Fachkräfte fehlen. Ein Grossteil der fehlenden Arbeitskräfte könnte jedoch aufgefangen werden: durch die Förderung sozial benachteiligter Talente, sowohl im Schweizer Bildungssystem als auch in den Unternehmen.

Die Studie beziffert zudem erstmals die volkswirtschaftlichen Kosten der fehlenden Mobilisierung: Bis zu 29 Milliarden Franken und 14'000 junge Fachkräfte entgehen der Schweiz jährlich. Die Verfügbarkeit von Talenten sei dabei für Unternehmen in der Schweiz der Standortfaktor Nummer eins, wie aus Interviews mit Führungskräften hervorgeht.

«Die Zahlen zeigen erstmals, dass es hier nicht nur um ein paar wenige Jugendliche geht. Es betrifft unsere Volkswirtschaft», sagt Jürg Schoch (67), Präsident von Allianz Chance+. Seine Organisation betreut an mehreren Schulen in der Deutschschweiz Förderprogramme.

Fremdsprachige Jugendliche werden unterschätzt

«In der Schweiz gibt es viele Jugendliche, die unterschätzt werden – vor allem aus armutsbetroffenen oder fremdsprachigen Familien», sagt Schoch. «Sie hätten jedoch das Potenzial, die Intelligenz und den Willen.»

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«Die Selektion läuft schlussendlich auch der Sprache entlang.»
Jürg Schoch, Präsident von Allianz Chance+
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Dennoch zeigt die Studie auf, dass strukturelle Hürden im Bildungssystem die Chancen für Schülerinnen und Schüler aus «bildungsfernen» Verhältnissen deutlich verringern. So wurden 1066 Jugendliche und junge Erwachsene zu ihrer Schulzeit und Ausbildung befragt. Dabei bekundet ein Drittel der Befragten, die gemäss ihrer sozialen Herkunft in den unteren 50 Prozent liegen, Mühe mit der richtigen Jobwahl. Ihnen fehlen die Vorbilder, sie fühlen sich zu wenig unterstützt – trotz guter Leistungen.

Auch die Finanzierung ihrer Ausbildung sehen sie als schwierig an. In den oberen fünfzig Prozent der Befragten sind solche Bedenken nicht vorhanden. «Für uns sind die Resultate nicht überraschend», sagt Schoch. Die Intelligenz und effektive Leistung seien bei fremdsprachigen Jugendlichen oft nur zweitrangig. «Die Selektion läuft schliesslich auch der Sprache entlang.»

Die Studie soll nun zur Sensibilisierung beitragen, dass die Bildungsungerechtigkeit in der Schweiz nicht bloss ein Randproblem, sondern ein relevanter Wirtschaftsfaktor darstellt.

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