Streit, Fristen, Rechte und Klagen
Das sind die Tücken und Fallstricke beim Erben

Ein Erbe kann aus Vermögen oder aus Schulden bestehen. Unabhängig davon, müssen Erben einige Dinge beachten. Gabrielle Sigg, Willensvollstreckerin beim Vermögenszentrum Zürich, erklärt, wie Betroffene böse Überraschungen vermeiden.
Publiziert: 19.02.2024 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2024 um 19:51 Uhr
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Wem gehört nun das Haus? Was steht im Testament? Und wo bleibt mein Pflichtteil? Ein Erbgang ist mit vielen unangenehmen Fragen verbunden.
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Valentin RubinRedaktor Service

Wer erbt, hat oft Aussicht auf Geld, manchmal aber auch auf einen Schuldenbetrag. Unabhängig vom Ausmass des Erbes steht für Betroffene meist viel Arbeit an – vor allem administrativer Art. Wer erbt was? Wie viel steht den Erben von Gesetzes wegen zu? Und können diese ein Erbe auch ausschlagen? Gabrielle Sigg (44), Leiterin Willensvollstreckung beim Vermögenszentrum Zürich, gibt Auskunft über die drei wichtigsten Fallstricke beim Erbgang.

Gabrielle Sigg (44) ist ausgebildete Rechtsanwältin und leitet die Abteilung Willensvollstreckung beim Vermögenszentrum Zürich. Sie betont, wie schwierig und emotional ein Erbgang für die Beteiligten sein kann.
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Erbsumme nicht bekannt

«Erbberechtigte wissen oft nicht genau, wie das Vermögensverhältnis des Verstorbenen ausgesehen hat», sagt Sigg. Das treffe vor allem dann zu, wenn man nicht direkt von den Eltern, sondern von entfernteren Verwandten – Grosseltern, Onkel oder Tanten – erbe. «Wer nicht weiss, was er genau erbt, kann auch nicht entscheiden, ob er das Erbe annehmen oder ausschlagen will», sagt Sigg. Sie betont darum, wie wichtig es ist, sich rasch über die genaue Erbsumme zu informieren. «Erben haben standardmässig drei Monate Zeit, um zu entscheiden, ob sie das Erbe annehmen wollen.». Nur in Ausnahmefällen und aus wichtigen Gründen (Art. 576 ZGB) können die Erben ein Gesuch auf eine Fristerstreckung stellen.

Wie gross ist der Nachlass des Grossvaters nun tatsächlich? Eine wichtige Frage, die sich die Erbberechtigten stellen müssen.
Foto: Shutterstock
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Erbe wird unabsichtlich angenommen

Es komme immer wieder vor, sagt Sigg, dass ein Erbe unabsichtlich angenommen werde. «Wer Handlungen am Nachlass vornimmt, nimmt das Erbe allenfalls bereits automatisch an.» Zum Beispiel, wenn man sich bereits Wertgegenstände wie eine Armbanduhr oder Schmuck aneigne, noch bevor die Erbschaft geregelt ist. Oder wenn man sich einen Erbschein bestellt (Art. 559 Abs. 1 ZGB). Sigg: «Dieser dient der Legitimation, um bei Banken oder beim Grundbuchamt Informationen über den Nachlass erhalten zu können.» Aber er sei eben auch eine Bestätigung, dass man das Erbe annehme und auf eine Ausschlagung verzichte. «Das ist besonders ärgerlich, wenn man Schulden erbt», sagt Sigg. Als Alternative empfiehlt sie, bei der zuständigen Behörde eine sogenannte Auskunftsbescheinigung zu beantragen. «Das kommt keiner Annahme des Erbes gleich, berechtigt aber wie ein Erbschein zur Einsicht in Bankdaten oder Grundbucheinträge.»

Gesetzliche Grundlagen im Erbrecht

Der dritte Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) definiert die gesetzlichen Erbanteile für die Angehörigen der verstorbenen Person. Das Erbrecht wurde per 1. Januar 2023 revidiert. Folgende Anteile sind gesetzlich verankert:

Verheiratet mit Kindern
50 Prozent des Nachlasses gehen an den Lebensgefährten oder die Lebensgefährtin (Ehe oder eingetragene Partnerschaft, nicht aber Konkubinat). Die weiteren 50 Prozent gehen an die Kinder beziehungsweise an deren Nachkommen.

Verheiratet ohne Kinder
75 Prozent des Nachlasses gehen an den Lebensgefährten oder die Lebensgefährtin (Ehe oder eingetragene Partnerschaft, nicht aber Konkubinat). 25 Prozent gehen an die nächsten Verwandten oder deren Nachkommen (Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen).

Unverheiratet mit Kindern
100 Prozent des Nachlasses gehen an die Kinder oder deren Nachkommen.

Unverheiratet ohne Kinder
100 Prozent des Nachlasses gehen an die Eltern oder deren Nachkommen. Falls die Eltern bereits tot sind und ihrerseits keine weiteren Nachkommen haben, gehen 100 Prozent an die Grosseltern. Wenn weder Eltern noch Grosseltern noch Geschwister noch am Leben sind, gehen 100 Prozent des Nachlasses an die Gemeinde oder den Kanton.

Wichtig: Bei den gesetzlichen Anteilen ist der Erblasser oder die Erblasserin verpflichtet, den Angehörigen mindestens 50 Prozent ihres gesetzlichen Anteils zuzugestehen (Pflichtanteile). Über die weiteren 50 Prozent der jeweiligen Anteile kann der Erblasser oder die Erblasserin frei verfügen.

Der dritte Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) definiert die gesetzlichen Erbanteile für die Angehörigen der verstorbenen Person. Das Erbrecht wurde per 1. Januar 2023 revidiert. Folgende Anteile sind gesetzlich verankert:

Verheiratet mit Kindern
50 Prozent des Nachlasses gehen an den Lebensgefährten oder die Lebensgefährtin (Ehe oder eingetragene Partnerschaft, nicht aber Konkubinat). Die weiteren 50 Prozent gehen an die Kinder beziehungsweise an deren Nachkommen.

Verheiratet ohne Kinder
75 Prozent des Nachlasses gehen an den Lebensgefährten oder die Lebensgefährtin (Ehe oder eingetragene Partnerschaft, nicht aber Konkubinat). 25 Prozent gehen an die nächsten Verwandten oder deren Nachkommen (Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen).

Unverheiratet mit Kindern
100 Prozent des Nachlasses gehen an die Kinder oder deren Nachkommen.

Unverheiratet ohne Kinder
100 Prozent des Nachlasses gehen an die Eltern oder deren Nachkommen. Falls die Eltern bereits tot sind und ihrerseits keine weiteren Nachkommen haben, gehen 100 Prozent an die Grosseltern. Wenn weder Eltern noch Grosseltern noch Geschwister noch am Leben sind, gehen 100 Prozent des Nachlasses an die Gemeinde oder den Kanton.

Wichtig: Bei den gesetzlichen Anteilen ist der Erblasser oder die Erblasserin verpflichtet, den Angehörigen mindestens 50 Prozent ihres gesetzlichen Anteils zuzugestehen (Pflichtanteile). Über die weiteren 50 Prozent der jeweiligen Anteile kann der Erblasser oder die Erblasserin frei verfügen.

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Testament ist ungültig

Ein Testament muss einige formale und inhaltliche Kriterien erfüllen, damit es gültig ist. So muss es von A bis Z von Hand geschrieben, mit einem Datum versehen und unterschrieben sein. Erfüllt das Testament diese Formvorschriften nicht, muss es notariell beurkundet werden. Laut Sigg muss ein Testament nebst formalen auch inhaltliche Kriterien erfüllen. So darf es nicht gegen das Erbrecht verstossen und etwa Pflichtteile einzelner Erben übergehen (Art. 470 ff. ZGB). Ausserdem muss der Erblasser oder die Erblasserin zum Zeitpunkt des Verfassens urteilsfähig gewesen sein. Die (Un-)Gültigkeit eines Testaments wird laut Sigg dann wichtig, wenn sich ein oder mehrere Erben dadurch benachteiligt sehen. «Es liegt in der Verantwortung der Erben, das Testament auf seine Gültigkeit zu überprüfen», sagt Sigg. Nur wenn diese eine Ungültigkeits- oder Herabsetzungsklage einleiten, wird das Testament überprüft. Eine solche Klage kann man in einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Friedensrichter und gegebenenfalls vor dem entsprechenden Bezirksgericht einreichen.

Ein Testament muss einige formale und inhaltliche Kriterien erfüllen. Ansonsten kann es für ungültig oder nichtig erklärt werden.
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