15'000 Deutsche sind im Jahr 2020 in die Schweiz ausgewandert. Mehr als 300'000 Deutsche leben hierzulande, sie stellen nach den Italienern die zweitgrösste Ausländergruppe dar. Der Grund liegt auf der Hand: Geld. In der Schweiz sind die Löhne schliesslich deutlich höher als bei unserem nördlichen Nachbarn.
Der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar (64), Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg (D), hält nun in der deutschen Zeitung «Die Welt» eine Brandrede gegen die Auswanderung in die Schweiz. «Die Schweiz ist nicht so perfekt und Deutschland nicht so lausig, wie einige es beurteilen!», schreibt Straubhaar.
Star-Ökonom und Lockdown-Gegner
Straubhaars Wort hat Gewicht, er gilt in Deutschland als Star-Ökonom und polarisierte in der Vergangenheit unter anderem mit seiner Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen sowie mit seiner Kritik an den Corona-Lockdowns.
In seinen Augen ist die Verlockung der hohen Schweizer Löhne ein Trugschluss. Aus der Ferne betrachtet erscheine die Schweiz «manchen Deutschen wie das Paradies auf Erden», fährt der renommierte Wirtschaftsprofessor fort. Sie würden das Dasein in der Schweiz allerdings «völlig überzogen glorifizieren».
Die Löhne in der Schweiz seien zwar höher, die Steuern und anderen Abgaben tiefer. Dafür sind auch die Lebenshaltungskosten hierzulande deutlich höher, etwa für das Wohnen. In der Schweiz leben weniger als 40 Prozent der Leute in einem Eigenheim, in Deutschland sind es immerhin 50 Prozent. Wer mietet, bezahlt mehr. «Die Schweiz ist ein Volk der Mieter und ein Eigenheim bleibt Privileg, Luxus und ein für die meisten unerfüllbarer Traum.»
Schweizer arbeiten 500 Stunden länger als Deutsche
Daneben seien auch die Gesundheitskosten hierzulande deutlich höher, moniert Straubmann. Kommt hinzu, dass in der Schweiz trotz höherer Prämien viele Leistungen nicht von der Grundversicherung gedeckt seien, die in Deutschland dazugehören, etwa Zahnarztbehandlungen.
In der Schweiz werde ausserdem länger gearbeitet: Durchschnittlich sind es 2000 Stunden pro Jahr. In Deutschland gerade einmal 1500 Stunden! Die Deutschen haben im Schnitt unter anderem eine Woche länger Ferien als die Schweizer.
Umzug für Coiffeure oder Gastro-Personal lohnenswert
Für eine Bevölkerungsgruppe lohne sich das Auswandern von Deutschland in die Schweiz aber tatsächlich, findet Straubhaar: Für Menschen im personenbezogenen Dienstleistungssektor – etwa Gastro-Mitarbeitende, Pflegende, Coiffeure oder Reinigungskräfte. In der Schweiz gelte, «dass guter Service auch gutes Geld kosten darf».
Für die «Masse der Bevölkerung» allerdings, so Straubhaar, «unterscheiden sich Alltag und Lebensstandard in Deutschland und der Schweiz weit weniger, als es beim reinen Vergleich von Durchschnittszahlen oder durch flüchtige Urlaubseindrücke der Fall zu sein scheint.»
Von Hamburg zurück in die Schweiz zu ziehen, weil er hier mit mehr Lohn rechnen kann? Kein Thema. «Deutschland ist mein Zuhause und wird es bleiben.» (sfa)