Die Superstars im weltweiten Fussballgeschäft haben es geschafft, sich zu globalen Megabrands zu entwickeln. Unter anderem dank Social Media sind sie bekannter und beliebter als die grössten Fussballclubs der Welt. Cristiano Ronaldo etwa, der fünffache Weltfussballer des Jahres, hat auf Instagram eine Fangemeinde von 603 Millionen. Und sein ewiger Kontrahent Lionel Messi erfreut sich auf der Social-Media-Plattform 485 Millionen Follower. Real Madrid, der auf Instagram beliebteste Club, hinkt mit seiner Anhängerschaft von 146 Millionen deutlich hinterher.
Der Teamsport Fussball hat sich also ein Stück weit individualisiert: Immer öfters fliegen die Fanherzen eher einem Fussballspieler zu statt einem Club. Spielt Lionel Messi für Paris Saint-Germain, dann steigt der Absatz von dunkelblauen PSG-Trikots mit der Nummer 10 stark an. Wechselt der argentinische Stürmerstar zu Inter Miami, sind plötzlich die pinken Leibchen der von David Beckham geführten Franchise aus Florida voll im Trend. Ein Messi-Shirt verkauft sich pro Saison rund eine Million Mal.
Gerade bei Vertreterinnen und Vertretern der Generation Z ist dieser Trend zur Fanliebe für einzelne Kicker stark vertreten, wie auch Christian Lang, Leiter Sportmanagement an der Uni St. Gallen, anhand von Gesprächen mit fussballinteressierten Studierenden festgestellt hat. Deshalb hat er in einem Post auf Linkedin eine Vermarktungsidee ins Fussballspiel gebracht, die im Individualsport Anwendung findet: die individualisierte Trikotwerbung. Sprich: Statt eines einheitlichen Hauptsponsors könnten die Spieler auf dem Shirt ihres Clubs künftig einen auf ihn angepassten Werbepartner auf der Brust tragen.
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Skiass Odermatt sahnt mit Werbung auf seiner Ausrüstung ab
Das Konzept gibt es bereits in anderen Sportarten, beispielsweise im Skisport. Neben den Werbepartnern des Nationalteams werben die Fahrerinnen und Fahrer auf ihren Ausrüstungen auch für ihre eigenen Sponsoren. Das Schweizer Skiass Marco Odermatt etwa verdient mit seinem Sponsoringportfolio rund 3 Millionen Franken im Jahr. Besonders gut sichtbar ist jeweils das Logo mit dem roten Bullen des Premiumpartners Red Bull auf seinem Rennhelm.
In den ansonsten immer kommerzieller werdenden Fussball hat individuelle Werbung auf Trikots noch keinen Einzug gehalten. Das hat auch rechtliche Gründe, wie Sportmarketingexperte Lang ausführt: «Momentan gibt es Regularien und Verträge, die ein individuelles Trikotsponsoring verhindern.» Eine ungeklärte Frage wäre zudem, wem die Gelder aus den auf die Spieler zugeschnittenen Werbungen auf den Trikots zugutekommen: den Spielern oder dem Club?
Darin besteht durchaus Konfliktpotenzial, wie das Beispiel Kylian Mbappé im Vorfeld der WM in Katar zeigt. Im vergangenen Herbst entstand ein Zwist zwischen dem Superstar und dem französischen Verband über Bildrechte. Mbappé verlangte ein Mitbestimmungsrecht, wenn es darum geht, für welche Sponsoren der Verband seine Bilder einsetzt. Zu einer Einigung ist es bislang noch nicht gekommen.
«CR7» verdient mehr Geld neben dem Platz
Der Disput beweist, dass Fussballer sich ihres Werts bewusst sind und durchaus Markenpflege betreiben. Das sieht auch Lang so: «Die Spieler werden immer einflussreicher und haben die Möglichkeit, ihre eigenen Marken aufzubauen, um ihre Identität und Persönlichkeit auszudrücken.» Ihren eigenen Brand nutzen die grossen Superstars, um ihre Verdienste stark aufzubessern.
Obwohl die Saläre und Prämien bei ihren Clubs bereits fürstlich sind, nehmen die besten und beliebtesten Kicker der Welt neben dem Platz deutlich mehr Geld ein. So verdiente Cristiano Ronaldo, der kürzlich beim deutschen Uhren-Online-Händler Chrono 24 als Investor eingestiegen ist, im vergangenen Jahr gemäss «Forbes» 136 Millionen Dollar, wovon zwei Drittel aus Nebeneinkünften stammen. Bei Lionel Messi trugen die Sponsoren 50 Prozent zu seinem Jahresverdienst von 130 Millionen Dollar bei.
Es ist diese Strahlkraft solcher Grössen wie Ronaldo und Messi, die die Vermarktung des Werbeplatzes auf dem Fussballshirt aus Clubsicht lukrativ macht, aber eben auch nur bedingt: «Individuelles Trikotsponsoring eignet sich vor allem für Superstars, die weltweit bekannt sind», sagt Lang. Schliesslich lohnt sich diese Marketingstrategie nur, wenn sie mit verschiedenen Trikotsponsoren für ihre Spieler mehr einnehmen können als durch die Werbung auf dem Shirt für die ganze Mannschaft.
Trikotwerbung bringt Grossclubs hohe Millionenbeträge
Seit die Trikotwerbung vor fünfzig Jahren Einzug in den europäischen Fussball gehalten hat, gehört das Vermarkten des Fussballtrikots zu einem zentralen Bestandteil der Sponsoringeinnahmen für die Clubs. In der hiesigen Super League schwankt der Preis für die Brustwerbung zwischen 500’000 und 1,5 Millionen Franken. Bereits ennet der Grenze beim nördlichen Nachbarn nehmen die Topvereine jährliche Beträge im zweistelligen Millionenbereich ein. Laut einer Auswertung des Deutschen Instituts für Marketing trifft dies auf total sechs Clubs zu.
«Tabellenführer» in dieser Disziplin ist der Werksverein VfL Wolfsburg, der vom Hauptsponsor und Clubbesitzer, dem in der Stadt beheimateten Autobauer Volkswagen, 70 Millionen Euro pro Jahr für die Trikotwerbung bekommt. Dahinter folgt Bayern München mit 50 Millionen Euro, die der Sponsor Deutsche Telekom jährlich für seinen Shirtauftritt an den deutschen Rekordmeister überweist.
Auch bei anderen Spitzenclubs in Europa bewegen sich die Trikotsponsoringeinnahmen auf diesem Niveau. Bei Paris Saint-Germain sollen es 60 bis 70 Millionen Euro pro Jahr sein, bei Real Madrid knapp 70 Millionen Euro und bei Manchester City umgerechnet 78,5 Millionen Euro.
Chelsea hat noch keinen Trikotsponsor
Aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage sind nun aber erste Anzeichen zu erkennen, dass die Sponsorengelder für die Trikotwerbung künftig nicht mehr ganz so üppig fliessen könnten. So läuft etwa das englische Schwergewicht FC Chelsea aktuell noch ohne Werbung auf der Brust auf, denn der Londoner Club ist weiter auf der Suche nach einem neuen Sponsor. Jüngst anerbot sich die Erotikplattform My.Club, doch die Premier League untersagte den anrüchigen Deal.
Sportmarketingexperte Lang hat generell die Entwicklung festgestellt, dass Werbepartner anspruchsvoller geworden sind: «Ein Sponsoring war früher oft auch einfach Goodwill gegenüber einem Club. Heutzutage erwarten die Unternehmen auch einen Gegenwert für ihr Engagement.» Sprich: Firmen zahlen nur dann hohe Sponsorenbeträge, wenn sie sich im positiven Ansehen eines Clubs auch wirklich sonnen können. Da hat es ein FC Chelsea gerade etwas schwerer, ist doch sein Image durch den Vorbesitzer, den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, und durch das sportlich schwache Abschneiden in der vergangenen Saison trotz Ausgaben von Hunderten von Millionen für neue Spieler etwas angekratzt.
Ein Ausweg wäre eben das spielerbezogene Trikotsponsoring, durch das die Clubs die «Human Brands» ihrer Superstars zu Geld machen könnten. In diesem Licht stehen die Chancen gut, dass diese Marketingidee den Fussball erobern könnte – exakt ein halbes Jahrhundert nach der erstmaligen Einführung von Trikotwerbung im europäischen Fussball.