Da steht also ein Tresen, und es ist völlig klar, dass hier gleich was verhandelt wird. Im Halbdunkel hinter dem Möbel wartet der Hausherr. An den Wänden hängen Bilder halb nackter Frauen. Links geht ein Kämmerchen ab. Höhlenartig. Eine Peitsche baumelt am Türrahmen. «Willkommen», spricht der Mann und zeigt direkt auf seinen Tresen: «Unterschreiben Sie hier!» Er lacht. So einen Vertrag lege er allen Journalisten vor.
Erster und wichtigster Punkt des Papiers: «Der Unterzeichnende bestätigt, dass er Dr. Buser nicht feindlich gesinnt ist.» Bemerkung am Schluss: «Dr. Buser erträgt gerne auch Kritik, sofern diese fair ist und der Wahrheitsfindung dient.»
Der Exzentriker Peter Buser
Die Sätze sagen einiges zur Gemütslage von Peter Buser (82) aus. Über ihn – Tenue ganz in Schwarz, Turnschuhe, sehr offenes Hemd – diskutiert seit Sonntag das halbe Land: «Die Kommentare stürzten mich vorübergehend in eine kleine Depression.» Mittlerweile amüsiere ihn die Kontroverse natürlich. Wieder sein Lachen.
Was war passiert? Der Mann sponsert neuerdings mit seiner Stiftung «Buser World Music Forum Foundation» den Eishockey-Club Davos. Er bezahlt einen siebenstelligen Betrag im Jahr, Laufzeit acht Jahre. Grund genug, Buser einen Besuch abzustatten, sagte sich das Schweizer Fernsehen. Bereits bei der Anmoderation des TV-Beitrags lächelt der Moderator verlegen, es folgt die Fernsehszene des Jahres, fesselnd, grotesk, anzuschauen wie ein Autounfall: Buser sitzt am Piano, seine 25-jährige Freundin hockt am Boden. Sie müsse eine «untertänige Haltung» einnehmen, erklärt er. Früher sei sie «Sklavin» gewesen, heute «untergebene Frau». Es sind provokante, problematische Aussagen. Eine schräge Inszenierung? Wohl eher Frauenverachtung.
Triesen FL, die junge Frau ist mittlerweile in die Dominikanische Republik abgereist. Und Buser hat eine Gegendarstellung für das Fernsehen vorbereitet. Vom Tresen im Erdgeschoss gehts hinein in einen Lift und hoch ins Habitat des ewigen Junggesellen.
Aufgewachsen in einem Arbeiterhaushalt in Solothurn, katholisch-fromm, entwickelte Buser früh einen Freiheitsdrang. Der Lehrerberuf wurde zum Ticket raus aus der Enge.
Schon als Kind am Geschäften
Nur schimmerte da noch was anderes durch. Schon als Knirps verlangte er Eintritt für das Kasperlitheater. Als Elfjähriger verlieh er Geld, drei bis sieben Prozent Zins, an Schulkameraden, Nachbarn und an die eigene Mutter. «Schon damals wusste ich, dass man das Geschäftliche vom Privaten trennen musste, wenn man Erfolg haben wollte», erinnert er sich in seiner 2017 publizierten Autobiografie.
Geschäfte machen also. Buser handelte mit WIR-Scheinen, später mit Lombardkrediten, arbeitete als Bankier von Privatkunden, wurde reich. Phasenweise operierte er im legalen Graubereich, riskierte Kopf und Kragen, etwa als Goldschmuggler: «Ich verletzte nur das französische Gesetz. Nicht aber das Schweizer Recht.»
In seiner Autobiografie bezieht er deutlich Stellung, über die Banken («Verachte den Finanzberater der grossen Bank.»), über die Bordelle («Ich bin gegen die ausbeuterisch zu nennende Prostitution.»), über exotische Länder (er lebte in Thailand, Brasilien und der Dominikanischen Republik).
Herausgetreten aus dem Lift. Da steht man nun in der Wohnung des Millionärs, doppelt baff, erstens, weil diese doch irgendwie schäbiger ist als erwartet, und zweitens, weil Buser nun tatsächlich, ohne grosse Anstrengung, frei den Philosophen Friedrich Nietzsche zitieren kann: «Seltsam ist’s, Zarathustra kennt wenig die Weiber, und doch hat er über sie recht!» Das wohl bekannteste Nietzsche-Zitat würde an der Stelle auch passen: «Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht!»
Denn neben ihm im Spiegelsalon stehen voll beladene Kleiderständer mit Requisiten für «die Shootings», Lack und Leder, Miniröcke und Kleider. Der Mann ist Proll und Poet zugleich.
«Ach, könnt ich doch reife Frauen lieben!»
Busers Frauenbild gibt Rätsel auf. «Ich bin Anti-Feminist, aber kein Sexist», sagt er. Er wolle die Frau nicht abgewertet sehen. Das Männliche und Weibliche seien einfach zwei Pole, die sich nur dann ergänzen würden, wenn sie sich nicht ineinanderfügten. Auch hier stützt er sich auf Weisheiten von Friedrich Nietzsche. Und dann haut er wieder einen Satz raus und freut sich: «Ich bemühe mich, altersgerecht zu handeln. Ach, könnt ich doch reife Frauen lieben!» Spott oder Ernst? Buser wird jedenfalls gehört. Verstanden gewiss nicht immer.
Berühmt, je nach Sichtweise berüchtigt, machte ihn sein Auftritt am Wiener Opernball. Diesen mischte er mit sechs Begleiterinnen auf, was in einem temporären Ballausschluss gipfelte. Eine andere Performance: Während der Street Parade lässt er auf einem Boot leicht bekleidete Frauen Anzugträger auspeitschen, die unschwer als UBS- und Credit-Suisse-Figuren zu erkennen sind.
Nur warum sucht er die Scheinwerfer, der Mann ist 82 Jahre alt. «Weil ich eine Mission habe.» Die Leute sollen «seinen» Philosophen lesen. Und sich der klassischen Kultur widmen. Er selber hat einen Doktortitel in Romanistik.
Für seinen ersten Lyrikband schrieb kein Geringerer als Martin Walser das Vorwort: «Ich gebe zu: Ich bin bezaubert von diesem Dichter ohne Vorbild und ohne seinesgleichen.»
Buser schreibt in einem Gedicht, welches er «einer seiner jungen Feen gewidmet» hat: «Und husch hinweg und stürme / dem Traum den Wolken nach / grüss mich aus weiter Ferne /mich ruhlos, ungemach.»
Vielleicht hätte es ja was werden können. Mit dem Schreiben.
Der Lift fährt wieder hinunter. Buser bleibt allein im Spiegelsalon zurück, der nächste Journalist kommt bald, sein nächster Auftritt auch.