Sie fiebert dem Montag entgegen. «Die Öffnung der Restaurant-Terrassen macht rein schon symbolisch Sinn», sagt Silvia Hauser (54). Ihr Le Bistro in Rüschlikon ZH ist seit Dezember zu. Sie ist überzeugt: «Sind die Terrassen offen, dann kommen die Leute.» Hoffentlich auch wieder zu ihr, denn das ist für Hauser überlebenswichtig.
Es geht um ihre nackte Existenz. Seit zehn Jahren ist Hauser Pächterin der Beiz am Bahnhof. Als sie die Arbeit begann, war sie in einer persönlichen Krise. Sie steckte alles rein, was sie hatte. Mit den Erlösen hielt sie sich selbst und die beiden Kinder über Wasser.
Mit der Zeit lief es besser. Das Bistro wurde zum Treffpunkt. Hauser baute die Terrasse aus. Ein lokaler Schreiner zimmerte eine Holz-Lounge für die Gäste. Zwei Frauen fanden Arbeit – eine als Köchin, eine im Service.
17'000 Franken offen
Dann kam die Pandemie. Die erste Welle, die zweite Welle. Jetzt stehen Hauser und ihr Betrieb am Rand des finanziellen Ruins. Die Beizerin selbst hat 25'000 Franken aus dem Ersparten eingeschossen, um die Firma am Leben zu halten und die Angestellten zu bezahlen. Sie hat auf einen grossen Teil ihres Lohns verzichtet. «Die offenen Rechnungen summieren sich trotzdem auf 17'000 Franken», sagt Hauser.
«Das Bistro ist wie ein Kind für mich», sagt sie. «Die Leute liegen mir so am Herzen.» Damit meint sie ihre Angestellten und ihre Gäste. «Wir haben viele Stammgäste, viele ältere Leute, auch viele einsame Menschen.» Das Bistro gab den Leuten Halt. Es war ein Fixpunkt im Leben. Hier wurde den Menschen zugehört. Hier gab es einen guten Kaffee und viel Herz.
Die Corona-Zwangsschliessungen haben das Gefüge aber durcheinandergebracht. Die Innenräume sind geschlossen. Das Take-away-Angebot kann das Umsatzloch nicht stopfen. Und die Erlaubnis zur Büezer-Beiz ist auch nur ein Tropfen auf den heissen Stein. In der Kasse fehlen einige Zehntausend Franken Umsatz.
Das eigentliche Problem aber: Der Kanton verweigert Hilfe. «Alles kommt viel zu spät», sagt Hauser. Die Kurzarbeitsgelder erreichten sie mit monatelanger Verzögerung. Per Entscheid Ende März erfuhr Hauser, dass sie keine Härtefallhilfe vom Kanton Zürich erhält. «Das ist skandalös», findet Hauser.
Der Kanton meint, das Umsatzloch in der Kasse sei nicht gross genug. Hauser, die jahrelang in Rüschlikon für die SVP politisiert hat, rechnet nach. Sie kommt zu einem anderen Schluss, legt Rekurs ein. Ohne Anwalt. «Den kann ich mir nicht leisten.»
Silberstreifen am Horizont
Der Ausgang ist noch offen. Unabhängig davon bleibt aber die Verärgerung. Das Pandemie-Management ist kein Ruhmesblatt für die Behörden des Bundes und des Kantons. Der Entscheid des Bundesrats vom Mittwoch, wonach die Terrassen geöffnet werden, kann Hauser auch nicht mehr milde stimmen. Die Gastronomin ist coronamüde. Sie will einfach nur noch normal arbeiten. «Manchmal komme ich mir vor wie ein Schwerverbrecher», sagt sie. «Nur weil ich meinen Job wie immer ausgeführt habe.»
Hauser erzählt einige Anekdoten. Selbsternannte Ordnungshüter aus der Nachbarschaft bemühten die Polizei, weil Leute vor der Beiz waren – mit expliziter Erlaubnis des Kantons. Hauser musste sich auch wiederholt gegen Drohungen wehren. Es sind zweifelsfrei harte Zeiten für die Beizer im Land.
Immerhin ein Silberstreifen zeigt sich am Horizont. Für die Gebeutelte hat sich eine neue Chance aufgetan. Sie kann in den warmen Monaten zusätzlich die beiden Gastro-Ableger in den Thalwiler Seebadis übernehmen. Der Vertrag läuft für zwei Jahre. Hauser hofft so, ihr finanzielles Polster wieder etwas aufbauen zu können.