Flughafen Zürich. 8.30 Uhr. Es ist kühl im Hangar von Swiss. Die Mechaniker tragen dicke Pullover und Handschuhe. Sie schieben ganze Flugzeug-Sitzreihen durch die Halle. Unmerklich wärmer ist es im Bauch der Boeing 777, die im Hangar steht.
Die «Triple Seven» ist das Flaggschiff der Swiss. 340 Passagiere passen in die Maschine. Beim Besuch von Blick aber ist das Flugzeug ausgehöhlt: Im hinteren Teil steht kein einziger Sitz.
Swiss baute mehr «Prachter» als andere Airlines
Die Swiss hat drei ihrer zwölf Flaggschiffe während der Corona-Pandemie von Passagier- zu Frachtflugzeugen umgebaut. «Prachter» nennen Aviatiker die Mischform. «Nur wenige Airlines haben in diesem Masse umgebaut», sagt Gunnar Ciernioch (50) nicht ohne Stolz. Er ist Projektleiter Technik und koordiniert die Mechaniker im Hangar. «Andere Airlines haben Frachtkartons auf den Sitzen festgeschnallt.»
Die Swiss hingegen hat die Sitze ausgebaut. «Auch die Sauerstoffflaschen für den Notfall und die Kabel zum Entertainment-System mussten raus», erklärt Jessica Barbagallo (34) und zeigt auf einen Kabelkanal am Kabinenboden. Sie ist bei der Swiss verantwortlich für den Kabinenunterhalt.
Sitze, Bildschirme, Kabel und Sauerstoffflaschen werden nach anderthalb Jahren wieder eingebaut. Mit der Grenzöffnung in den USA, in Thailand und anderen Ländern braucht die Swiss ihre Maschinen wieder für Passagier- statt Frachtflüge.
Teppich war nicht mehr zu retten
«Hier kommen die ersten Sitze!», ruft Barbagallo. Auf einer Hebebühne werden die Sitzreihen ins Flugzeug gehievt, danach von den Mechanikern Reihe um Reihe von Hand wieder angeschraubt. «Es sind die genau gleichen Sitze, die wir vor anderthalb Jahren ausgebaut haben.» Nur der Teppich musste ausgewechselt werden.
«Der Passagier soll vom Umbau nichts merken, alles ist in wenigen Tagen wieder ganz beim Alten», verspricht Barbagallo. Selbstverständlich ist das nicht: Beim Einladen der Fracht, etwa in China, wird wenig zimperlich mit den Flugzeugen umgegangen. Beulen und Kratzer im Innenraum der Kabine sind die Folge. Um das zu verhindern, schickte die Swiss auf alle Frachtflüge eigens einen Mechaniker mit. «Er hatte ein Auge darauf, dass rücksichtsvoll mit der Kabine umgegangen wird», sagt Barbagallo.
Trolleys voller Feuerlöscher statt Essen
Wenn die Triple Seven wieder abhebt, soll kein Teil wackeln. «Am Schluss kontrolliert ein Mechaniker noch mal jede Schraube.» Vier Tage dauert der Rückbau. Jeden Tag wird bis zu 17 Stunden lang am Flugzeug gewerkelt. Danach wird einen Tag lang getestet: Fallen die Sauerstoffmasken vorschriftsgemäss herunter? Funktionieren die Bildschirme? Sind die Sitze stabil?
Im hinteren Teil des Flugzeugs steht ein Trolley. Normalerweise beladen mit den Fertigmahlzeiten an Bord. Für die Frachtflüge wurden die Trolleys kurzerhand umfunktioniert, beherbergen jetzt grosse, silbern glänzende Feuerlöscher. «Das sind Wasserfeuerlöscher, die mussten wir extra in den USA besorgen», erklärt Gunnar Ciernioch.
Denn die drei Boeing 777 der Swiss wurden trotz Umbau nie zu eigentlichen Frachtflugzeugen. Sie hatten keine eingebauten Brandsensoren, keine Sprinkleranlagen. «Es war immer ein Zwitter», gibt Barbagallo zu.
Flight-Attendants flogen First Class
First und Business Class etwa wurden gar nicht erst ausgebaut. «Das wäre zu aufwendig und macht auch wirtschaftlich keinen Sinn», erklärt Ciernioch. «Und die Crew braucht ja auch einen Platz zum Schlafen!», wirft Barbagallo ein. Flight-Attendants für einmal im Luxussessel statt auf dem Jumpseat.
Also konnte nur der hintere Teil, die Holzklasse, mit Fracht befüllt werden. Und auch das nur eingeschränkt. Leicht entzündliche Flüssigkeiten zum Beispiel durften nicht an Bord. Brandschutzvorschrift. «Und das Gewicht der Fracht war begrenzt», ergänzt Ciernioch. «Bei normalen Cargoflugzeugen ist der Boden verstärkt. Bei uns nicht. Aber Masken und Schutzanzüge sind ja leicht.»
Die drei umgebauten Triple Seven der Swiss kamen vor allem für Frachtflüge aus China in die Schweiz zum Einsatz. Der Bund, die Armee aber auch private Anbieter bestellten dort medizinisches Schutzmaterial, die Swiss brachte es ins Land. Über 1000 Frachtflüge haben die umgebauten Frachter durchgeführt.
Das Geschäft hat sich für die Swiss auch finanziell ausgezahlt, das verhehlt Gunnar Ciernioch nicht. «Wir konnten so den Verlust am Gesamtgeschäft verringern.» Die Investitionen waren tief. «Unsere Mechaniker hatten freie Kapazitäten, weil sonst wenig lief. Und wir mussten auch nichts Neues kaufen. Ausser den Feuerlöschern!» Diese werden nun eingelagert.
Hintertürchen bleibt offen
Die Swiss setzt zwar wieder voll auf Passagierflüge, behält sich die Hintertür der Fracht aber offen. «Wir hoffen zwar, dass die Pandemie einen besseren Verlauf nimmt», sagt Ciernioch. Und schiebt dann nach: «Aber wir wissen es schlicht nicht. Wenn plötzlich wieder Bedarf besteht, können wir die Flugzeuge erneut umbauen.»
Für den Moment aber wandert die Fracht wieder in den ganz normalen Laderaum. Die Kabine ist den Passagieren vorbehalten. Am Dienstag etwa hebt die Maschine nach Hongkong ab.