Diese Kooperation sorgt für Diskussionen und rote Köpfe: Schweiz Tourismus wird künftig mit der saudischen Tourismusbehörde zusammenarbeiten. Vertreter der jeweiligen Organisationen haben kürzlich eine Absichtserklärung unterschrieben, über die die «NZZ am Sonntag» berichtet hat. Bei der Unterzeichnung des «Memorandum of Understanding» war SVP-Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) zugegen.
Ferien in Saudi-Arabien? Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) spricht in diesem Zusammenhang von «Risiken». Die Rede ist von Drohnenangriffen auf die Hauptstadt Riad aufgrund des Jemen-Konflikts, Terrorakten im ganzen Land und einer allgemein unsicheren Lage aufgrund des Nahost-Konflikts.
Zudem weist die offizielle Schweiz auf die strengen Verhaltensregeln hin: «Befolgen Sie den strikten Verhaltenskodex und passen Sie Kleidung und Verhalten den lokalen Gepflogenheiten sowie den religiösen und nationalen Empfindungen an.» Paare sollen auf Zärtlichkeiten verzichten. Homosexualität, christliche Symbole oder Alkohol sind verboten.
So wichtig sind die Saudis für den Schweizer Tourismus
«Wir möchten Möglichkeiten suchen, um gegenseitig voneinander zu lernen», sagt Tourismus-Schweiz-Sprecherin Liên Burkard. Geplant ist ein regelmässiger Austausch mit der saudischen Tourismusbehörde. Das Land sei für den Schweizer Tourismus sehr relevant geworden, so Burkard. Reisen von Staatsbürgern Saudi-Arabiens nahmen bis vor der Corona-Pandemie stetig zu. 2019 waren es 320'000 Logiernächte – 2023 wird man das Vor-Pandemie-Niveau knapp nicht erreichen. Wichtig sind die Saudis aber auch, weil der Geldbeutel besonders locker sitzt: Im Schnitt geben sie in der Schweiz 420 Franken pro Tag aus – mehr als doppelt so viel wie ein durchschnittlicher Tourist (165 Franken).
Klar also, dass die Marketingorganisation voll auf Saudi-Arabien setzt – und das nicht erst seit zwei Wochen. Im vergangenen Jahr hat Schweiz Tourismus eine Aussenstelle in der Hauptstadt Riad eröffnet. Die neue Vertretung wird von Majed Alwadi geführt. Der Auftrag: Die Sichtbarkeit des Ferienlandes Schweiz zu erhöhen, um noch mehr Saudis in die Alpen und an den Genfersee zu locken.
Auch die Saudis geben Gas. Mit dem Megaprojekt «Vision 2030» will der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (38) das Land aus der Abhängigkeit von Öl und Gas führen. Die Saudis wollen Dubai den Rang ablaufen und künftig die führende Destination im arabischen Raum sein. Herr und Frau Schweizer sollen künftig also nach Jeddah ans Meer statt zum Burj Khalifa. Wie das den Saudis gelingen soll? Das möchten sie wohl durch die Kooperation mit Schweiz Tourismus in Erfahrung bringen.
Neom ist der Name eines futuristischen Stadt- und Freizeitprojekts in der Provinz Tabuk im Nordwesten Saudi-Arabiens. Neom ist ein wesentlicher Teil des Plans «Saudi Vision 2030». Dieser zielt darauf ab, die saudische Wirtschaft zu diversifizieren und ihre Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Neom soll Smart-City-Technologien beinhalten und als Touristenziel fungieren. Das Projekt umfasst eine Fläche von 26'500 Quadratkilometern (über die Hälfte der Fläche der Schweiz) und soll möglichst mit erneuerbaren Energiequellen betrieben werden.
Neom ist der Name eines futuristischen Stadt- und Freizeitprojekts in der Provinz Tabuk im Nordwesten Saudi-Arabiens. Neom ist ein wesentlicher Teil des Plans «Saudi Vision 2030». Dieser zielt darauf ab, die saudische Wirtschaft zu diversifizieren und ihre Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Neom soll Smart-City-Technologien beinhalten und als Touristenziel fungieren. Das Projekt umfasst eine Fläche von 26'500 Quadratkilometern (über die Hälfte der Fläche der Schweiz) und soll möglichst mit erneuerbaren Energiequellen betrieben werden.
Verbesserungen dank Tourismus? «Das ist eine glatte Lüge!»
Keine Freude am Austausch zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien hat SP-Nationalrat Fabian Molina (33). Besonders irritierend findet der Aussenpolitiker, dass mit Parmelin ein Bundesrat den Segen zur Kooperation mit den Saudis gab: «Parmelin betreibt in diesem Fall eine zynische Industriepolitik mit einem Unrechtsstaat.» Dass sich Saudi-Arabien im Westen als Tourismusdestination zeigen möchte, gefällt Molina nicht. Sein Vorwurf: «Parmelin fällt auf die PR von Kronprinz bin Salman herein.»
Die Anwesenheit des Wirtschaftsministers bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung hätte einen «rein repräsentativen Charakter» gehabt, sagt Markus Spörndli, Sprecher von Parmelins Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, auf Anfrage. Bei Parmelins Besuch in Saudi-Arabien Anfang Februar habe er die Menschenrechtssituation angesprochen. «Die saudische Seite zeigte sich interessiert, mit der Schweiz darüber zu diskutieren», so Spörndli.
Auch Schweiz-Tourismus-Sprecherin Liên Burkard kontert die Kritik über die Menschenrechte: «Der Tourismus fördert die multikulturelle Toleranz und kann vielleicht sogar zu Verbesserungen von Verhältnissen beitragen.» Molina winkt ab: «Zu glauben, dass über ein paar Logiernächte eine Verbesserung erzielt werden könnte, ist eine glatte Lüge.» Anders sieht es Mitte-Nationalrat Martin Candinas (43). Er sagt zu Blick: «Ich bin überzeugt, dass der Tourismus zur gesellschaftlichen Öffnung eines Landes beitragen kann.»