Schweiz kämpft mit Lieferproblemen
Diese Produkte werden jetzt knapp

In Shanghai herrscht Lockdown, in der Ukraine Krieg. Diese Kombination bringt die globalen Lieferketten erneut ins Stocken. Blick zeigt, bei welchen Produkten die Knappheit besonders gross ist.
Publiziert: 30.04.2022 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2022 um 10:24 Uhr
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Im Hafen von Shanghai stapeln sich wegen des Lockdowns die Container.
Foto: imago
Sarah Frattaroli

«Wir sind es uns langsam gewöhnt», sagt Andreas Kyburz (52) schicksalsergeben über die sich wieder zuspitzenden Lieferengpässe. Er ist Geschäftsleiter von Procure, dem Fachverband für Einkauf und Supply Management.

In Shanghai stehen wegen des ultrastrengen Lockdowns Tausende Fabriken still. Containerschiffe warten vor dem weltgrössten Hafen vergebens darauf, be- oder entladen zu werden. Zusätzlich wirbelt der Krieg in der Ukraine die Lieferketten in Europa durcheinander. Es geht die Furcht um vor ausbleibenden Getreideernten in der «Kornkammer Europas», vor fehlendem Sonnenblumenöl und nicht zuletzt vor einem Exportstopp beim russischen Erdgas. Zusätzlich fehlen in Europa ukrainische Lastwagenfahrer, um die Güter über den Kontinent zu transportieren.

Kurzum: Die Lieferketten stehen Kopf – schon wieder! Respektive: immer noch. Denn nach den pandemiebedingten Lieferschwierigkeiten in den beiden letzten Jahren ist gar nie Normalität eingekehrt. Produzenten, Einkäufer, Logistiker und Händler schlittern von einer Krise in die nächste. Und genau da liegt das Problem: Nach der Blockade des Suez-Kanals durch den havarierten Frachter Ever Given letzten Frühling und das coronabedingte Lieferchaos hatte die globale Weltwirtschaft spätestens in diesem Jahr mit einer Normalisierung gerechnet. Den Knallhart-Lockdown in Shanghai sowie den Ausbruch des Ukraine-Kriegs hatte dabei niemand auf dem Schirm.

Apple warnt vor Problemen

Aufschluss über den Zustand der Lieferketten gibt auch der monatliche Einkaufsmanager-Index (PMI). In der aktuellen Ausgabe geben mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen in der Schweiz an, die Lieferfristen hätten sich im Vergleich zum Vormonat erhöht.

Immerhin: «Wir haben den Umgang mit den Lieferschwierigkeiten gelernt», führt Kyburz an. Man kauft früher ein, sucht nach alternativen Produzenten, greift auf Lagerbestände zurück. «Aber irgendwann sind die Lager leer.» Die Probleme in der Lieferkette kumulieren sich.

Die Händler in der Schweiz versuchen derweil zu beschwichtigen. Bei Digitec Galaxus, der grössten Onlinehändlerin der Schweiz, heisst es auf Anfrage von Blick: «In den meisten Fällen können wir unser Lieferversprechen einhalten.» In einzelnen Bereichen gebe es aber Probleme, etwa bei Velos und Druckern. Auch Apple habe jüngst vor Lieferproblemen gewarnt. Im Vergleich zu Weihnachten 2021 habe sich die Lage aber etwas entschärft.

Diese Produkte sind jetzt knapp

Einige der fehlenden Produkte sind zu regelrechten «Dauerbrennern» geworden, sind sie doch seit Pandemie-Ausbruch notorisch knapp. Blick liefert die Übersicht über die knappen Güter.

Computer-Chips: Die Knappheit der sogenannten Halbleiter hat Auswirkungen unter anderem auf die Automobilbranche in Deutschland oder den Ausbau der Solarkraft in der Schweiz. Im letzten Jahr wurden besonders mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft auch iPhones und Spielkonsolen knapp. Auch die von Digitec Galaxus angeführten Engpässe bei den Druckern hängen mit dem Chipmangel zusammen. Bei den Elektronikartikeln kommt hinzu, dass die meisten davon in China produziert werden. Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer mit Sitz in Peking, sagt zur deutschen «Bild»: «Fernseher, Laptops und Mobiltelefone stauen sich im Hafen von Shanghai.» Auch Mikrowellen, Staubsauger oder Lautsprecherboxen könnten bald knapp werden.

Velos: Corona hat für einen regelrechten Boom bei den Velos gesorgt. Dumm nur, dass Ersatzteile seit Ausbruch der Pandemie Mangelware sind. Bremsen, Pneus, Ketten: Viele Einzelteile werden in asiatischen Fabriken gefertigt. Die monatelangen Stillstände des letzten Jahres wirken sich noch immer auf die Verfügbarkeit aus.

Medikamente: Seit Jahren steigt die globale Nachfrage nach pharmazeutischen Produkten. Die Produktion hält damit nicht Schritt. Angesichts der stockenden Lieferketten ist problematisch, dass die Arzneimittelproduktion sich auf wenige Standorte weltweit konzentriert – Unterbrüche in der Lieferkette können kaum aufgefangen werden. In der Schweiz mangelt es gemäss Angaben des Bundes unter anderem an Antidepressiva, Antiepileptika, Antibiotika und Herz-Kreislauf-Arzneimitteln. Die Medikamenten-Knappheit hängt nicht direkt mit den Corona-Lockdowns oder dem Krieg zusammen. Aber die Lieferkettenprobleme verschlimmern das Problem. Immerhin: In Shanghai gehörte die Schweizer Pharmafirma Roche zu den allerersten, die trotz strengen Corona-Massnahmen die Arbeit wieder aufnehmen durfte.

Baumaterial: Gemäss dem deutschen Ifo-Institut spitzen sich die Materialengpässe auf dem Bau zu. «Die Stimmung stürzt ab», schreiben die Konjunkturforscher dazu. Die Knappheit erreiche derzeit historische Rekordwerte, ist also auch deutlich prekärer als während der letzten zwei Corona-Jahre. Russland und die Ukraine sind wichtige Lieferanten von Baustahl – der Nachschub bleibt aus. Auch Holz, Bitumen (für den Strassenbau) und Kupfer sind entweder kaum noch zu haben oder haben sich massiv verteuert.

Speiseöl: In der Schweiz hingegen gibt es nach wie vor ausreichend Öl, in deutschen Supermarktregalen ist das Sonnenblumen- und Rapsöl jedoch seit Kriegsausbruch knapp. Die Ukraine ist wichtiger Exporteur dieser Produkte. Die Deutschen hamstern. Nun allerdings verschärft Indonesien die drohende Knappheit zusätzlich: Das Land hat angesichts der möglichen Engpässe einen Exportstopp für Palmöl verhängt. Das fällt ins Gewicht, ist Indonesien doch der weltgrösste Exporteur von Palmöl. Der Exportstopp dürfte über kurz oder lang zum Problem werden, steckt Palmöl doch in Nutella, Fertigsuppen, Margarine, Süssigkeiten oder Kosmetika.

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