Claudia Freitag ist Hüttenwartin auf der Muttseehütte hoch über Linthal GL. Seit vier Jahren macht sie den harten Job in den Bergen. Im Herbst geht die Saison auf 2501 Metern über Meer zu Ende. Es wird ihre Letzte sein. Freitag ist erschöpft und hat genug. Die Folge von 15-Stunden-Tagen, sieben Tage die Woche. «Die Arbeit braucht viel Energie, die ich nicht wieder zurückholen kann», sagt sie in den «Glarner Nachrichten».
Vor allem mit jungen Gästen, denen es nur um ein spezielles Bild für die sozialen Medien geht, hat sie Mühe. «Viele Leute kommen hauptsächlich für ihr Social-Media-Foto hier hoch», sagt Freitag. Besonders beliebt: der nahe gelegene, türkisfarbene Limmerensee. Erfahrungen im hochalpinen Raum hätten sie nicht. Das merke sie an der ungenügenden Ausrüstung und den schlechten Schuhen. Den Unterschied zwischen einer Beiz im Tal und einer Hütte des Schweizer Alpen-Clubs SAC würden sie nicht kennen.
«SAC-Hütten sind keine Berghotels»
Dieser Einschätzung pflichtet man am Sitz des SAC in Bern zu. «Während der beiden Corona-Pandemiejahre haben viele Gäste zum ersten Mal eine Hütte besucht, was natürlich sehr erfreulich ist», sagt Bruno Lüthi, Fachleiter Hüttenbetrieb, zu Blick. Vor allem Hütten in der Nähe einer Seilbahn hätten dies gespürt, etwa die Cabane du Mont Fort oder die Weissmieshütte. Die hohen Erwartungen dieser neuen Gäste kennt auch Lüthi. «Viele von ihnen erwarten, dass es A-la-carte-Menus am Abend gibt, Doppelzimmer mit täglichem Wechsel der Bettwäsche, eine Dusche und öffentliches WLAN», sagt er.
Die Hütten würden aber einfache Gebirgsunterkünfte bleiben, die nicht an öffentlichen Strom-, Wasser- oder Abwassernetzen angeschlossen sind. «Sie müssen sparsam mit den Ressourcen umgehen. Das ist vielen Leuten nicht bewusst und erfordert zusätzlichen Erklärungsaufwand», sagt er. Und betont: «SAC-Hütten sind keine Berghotels.» Alles, was in einer Hütte konsumiert wird, müsse in die Höhe transportiert werden. Wichtig sei deshalb auch, dass man sich rechtzeitig abmelde, wenn einem etwas dazwischenkomme. Bis zu 10 Prozent der Gäste mache dies nicht, sind sogenannte No Shows. «Das ist sehr ärgerlich, weil dann Plätze frei bleiben, die gerne von anderen Gästen belegt worden wären», sagt Lüthi.
Allergien und zu spätes Erscheinen
Viel Gäste hätten viel zu hohe Erwartungen an die Hütte mit ihren 76 Plätzen, moniert auch Hüttenwartin Freitag. Auch ans Restaurant und ans Essen. Viele würden zudem viel zu spät ankommen. «Um 16 Uhr stehen sie da und möchten etwas Warmes zu essen», sagt Freitag. Das Problem: Die Bahn fährt nur bis 18 Uhr. Und gleichzeitig muss das Hüttenteam für die Gäste kochen, die auch in der Hütte übernachten.
Freitag hat deshalb das Angebot angepasst. Warmes Essen gibts nur noch bis 16 Uhr. Später nur für Übernachtungsgäste. Zudem seien Allergien und Lebensmittelintoleranzen ein ständiges Thema. Sie sind mit einem Mehraufwand für die Küche verbunden. Auch der Abfall ist ein Problem. «Sie sehen nicht, dass wir den Abfall, den sie bei uns deponieren, runterfliegen lassen müssen», nervt sich Freitag im Bericht. Fragen von Blick wollte sie nicht beantworten.
Unterstützung bekommt sie aber vom SAC beim Thema gestiegene Erwartungen ans Essen. «Diese gesellschaftliche Entwicklung spüren unsere Hütten auch, nicht weniger als in Restaurants im Tal», heisst es. «Unsere Hüttenwartinnen und Hüttenwarte versuchen, mit ihrer teilweise einfachen Kücheninfrastruktur den Ansprüchen gerecht zu werden.»
Zwei Stunden Wartezeit bei der Seilbahn
Damit nicht genug des Verdrusses: Einheimische bleiben der Hütte vermehrt fern, um dem grossen Trubel aus dem Weg zu gehen. So musste man vergangenes Wochenende bei der Seilbahn zwei Stunden warten, weil es so viele Leute hatte. «Einheimische tun sich das nicht an. Verständlicherweise», sagt Freitag zu den «Glarner Nachrichten». Dabei würden die Einheimischen dem Team die Arbeit erleichtern, weil sie Verständnis fürs Bergleben hätten.
Grossen Ärger bereiten Freitag auch die Wildcamper. Menschen, die in der Nähe der Hütte im Hochgebirge übernachten. Das schadet den Wildtieren. «Wildcamper sind sehr präsent und kosten Energie», sagt Freitag. Energie, die ihr zuletzt fehlte. Einen neuen Job hat sie noch nicht. Erst einmal steht Erholung an – in den Bergen.