Es ist die Woche der Wahrheit für Wladimir Putin (69). Nicht wegen des Angriffskrieges in der Ukraine, den er zuletzt hauptsächlich in den Osten des Landes verlagert hat. Es geht um die Zahlungsfähigkeit des Landes. Russland droht der Finanz-Kollaps!
Der Countdown läuft, denn am vergangenen Freitag sind zwei Zinszahlungen für Staatsanleihen fällig geworden. 71 Millionen Dollar und 29 Millionen Euro hätte Russland überweisen sollen. Doch das Geld ist bisher nicht auf den Konten der Anleger gelandet. Eine 30-tägige Gnadenfrist läuft. Bezahlt Russland nicht, ist der Zahlungsausfall offiziell.
Öl-Embargo, Ausnahmeregelung ausgelaufen – Druck steigt
Die Entwicklungen sind erstaunlich. Anfang des Jahres schien ein Zahlungsausfall Russlands nahezu ausgeschlossen. Doch der Ukraine-Krieg und die westlichen Sanktionen setzen dem Kreml mächtig zu. Die Rating-Agenturen haben die Kreditwürdigkeit Russlands herabgestuft. Das am Dienstag beschlossene Öl-Embargo der EU-Staaten erhöht den Druck zusätzlich. Und die USA haben vergangene Woche eine wichtige Ausnahmeregelung auslaufen lassen, die es Russland erlaubte, im Ausland eingefrorene Devisenreserven zur Bedienung von Anleihen zu nutzen.
Russland hat seit Kriegsbeginn aufgrund der Sanktionen den Zugriff zu einem Grossteil seiner in ausländischen Banken gehaltenen Währungsreserven verloren. Schon vergleichsweise kleine Beträge stellen deshalb ein grosses Problem dar. Denn der Rubel wird oft als Zahlungsmittel nicht akzeptiert.
Russland kämpft
Die nun drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes wäre die erste seit dem Jahr 1918. Es würde den blitzschnellen Sturz des Landes in die finanzielle Isolation nach dem Einmarsch in die Ukraine besiegeln. Doch Russland kämpft verbissen, um genau das zu verhindern. Der russische Finanzminister Anton Siluanow (59) betonte am Freitag, sein Land habe ausreichend Geld, um seine Verbindlichkeiten zu bedienen.
«Wir werden alles tun, um unsere Rolle als verlässlicher Kreditnehmer zu bekräftigen, auch unter diesen Bedingungen», sagte er bei einer Vorlesung an der Finanzuniversität in Moskau vor Studenten. Russland vollzog zusätzlich eine ausserplanmässige Zinssenkung, um einer zu starken Währung entgegenzuwirken.
Neues Ungemach droht
Die Uhr tickt. Mittlerweile hat die zentrale Wertpapierverwahrungsstelle NSD in Moskau eine Erklärung zu den ausstehenden Zinszahlungen abgegeben. Das Geld sei auf dem Weg. Ob das zutreffend ist, ist unklar. Angekommen war die Zahlung bis am Montag nicht.
Unabhängig davon droht bereits das nächste Ungemach. Diese Woche tritt ein Gläubigerausschuss zusammen. Streitpunkt: eine fehlende Zinszahlung in Höhe von 1,9 Millionen Dollar für Anleihen. Diese könnte eine Versicherungsauszahlung für Investoren auslösen, die «Bloomberg» zufolge Milliarden von Dollar wert ist. Und am 23. Juni werden die nächsten Zinszahlungen in der Höhe von insgesamt 235 Millionen Dollar fällig.
Loch in Kriegskasse
Sollte Russland zahlungsunfähig werden, bedeutet das noch kein Staatsbankrott. Laut Experten sei eine Pleite unwahrscheinlich. Die Folge von Zahlungsausfällen wäre, dass Russland auf dem internationalen Finanzmarkt kein Geld mehr aufnehmen könnte.
Ein Finanz-Kollaps im Ausland, nicht aber im Inland. Dort kann Putin seine Ausgaben weiterhin in Rubel finanzieren. Für seine Kriegskasse wäre die Zahlungsunfähigkeit aber ein herber Dämpfer.